Themenwoche „Start der Wallfahrtszeit“ (7) - aus Gerleve

Darum sind Wallfahrten für gläubige Menschen schön und wichtig

Anzeige

Die Wallfahrtssaison steht bevor. Das Pilgern spricht viele Menschen direkt an und bietet eine große pastorale Chance, erklärt Pater Daniel Hörnemann OSB aus der Abtei Gerleve in seinem Impuls.

Der Dichter Novalis stellt die Urfrage: „Wo gehen wir denn hin?“, und beantwortet sie sogleich: „Immer nach Hause.“ Wir sind als Glaubende unterwegs zu unserer bleibenden Heimat in Gott. Wir leben in der fortwährenden Spannung zwischen Stabilität und Mobilität, zwischen dem Festhalten am Gewohnten und dem Aufbrechen ins Unbekannte, wir leben in der Fremde und sind Pilger, zugleich sind wir in dieser Welt zuhause.

Wir „wallen“, das heißt im Althochdeutschen „wandern, umherziehen, pilgern“. Daraus leitet sich „Wallfahrt“ ab, ein Weg mit dem Ziel einer spirituellen Erfahrung, die bereits auf dem Weg gemacht werden kann oder am Wallfahrtsort, der Endstation des Pilgerweges.

Der Camino bietet eine einzigartige Gelegenheit

Martin Luther lehnte Wallfahrten rundum ab: „Lauf nicht dahin, man weiß nicht, ob Sankt Jakob oder ein toter Hund da liegt.“ Das hielt Menschen jedoch nicht ab, etwa den Jakobsweg zu gehen, verstärkt in neuerer Zeit. So der deutsche Komiker Hape Kerkeling, der sich auf dem „Camino“ sich selbst stellte und der Frage „Wer bist du?“ Er fand: „Der Camino bietet eine echte, fast vergessene Möglichkeit, sich zu stellen. Jeder Mensch sucht nach Halt. Dabei liegt der einzige Halt im Loslassen. Dieser Weg ist hart und wundervoll. Er ist eine Herausforderung und eine Einladung. Er macht dich kaputt und leer. Restlos. Und er baut dich wieder auf. Gründlich. Er nimmt dir alle Kraft und gibt sie dir dreifach zurück. Du musst ihn alleine gehen, sonst gibt er seine Geheimnisse nicht preis.“

Nicht allein Christen, sondern Menschen aller Zeiten, Religionen und Kulturen empfanden das Bedürfnis, Orte aufzusuchen, an denen ihnen der Himmel offener und das Heilige oder Gott zugänglicher zu sein schien als anderswo. Sie brechen auf aus dem Gewohnten und trauen sich auf unvertraute Wege.

Jerusalem oder Mekka - je nach Religion

Buddhisten pilgern an Wirkungsstätten Buddhas oder seinen Geburtsort. Hindus ziehen zu heiligen Flüssen und den an ihnen gelegenen Heiligen Orten. Einmal im Leben sollte jeder Muslim die „Haddsch“, die Pilgerreise nach Mekka, antreten. Für die Juden ist Jerusalem der Heilige Ort.

Dorthin pilgerten auch die Eltern Jesu mit ihrem Sohn. Er selbst zog mit seinen Freunden zum Pessachfest dorthin. Christen pilgerten zu den Gräbern der Märtyrer in Rom, zu den Heiligen Stätten in und um Jerusalem, um sich ihres Glaubens zu vergewissern. Es muss nicht Rom, Lourdes, Fatima oder Santiago sein, es gibt so viele Orte der Erinnerung, manchmal recht bescheidene, von denen eine „Gnade“ ausgeht.

Pilgern als pastorale Chance begreifen

Früher wie heute sind sich Menschen bewusst, an bestimmten, heiligen Stätten Gott näher zu sein und seine besondere Zuwendung zu erfahren. Wallfahren ist ein tiefes Symbol für das Unterwegssein der Christen: „Ich freute mich, als man mir sagte: ‚Zum Haus des Herrn wollen wir pilgern‘“ (Ps 122,1). Christen sind Menschen des Weges, nicht des Stillstands.

Das Pilgern erscheint als Frömmigkeitsform dem heutigen Menschen eher zu entsprechen als viele andere Aspekte kirchlichen, sakramentalen Lebens. Hier läge eine große pastorale Chance. Zwar sprach das Zweite Vatikanische Konzil ständig vom „pilgernden Gottesvolk“, aber die Wallfahrt blieb ein zweitrangiger Ausdruck des Glaubens beziehungsweise reine Volksfrömmigkeit.

Auf der Suche nach Antworten

Dabei gibt es kaum eine andere Form von Liturgie, die ein solch direktes Erleben von Welt und Schöpfung ermöglicht, von einer solchen zeitlichen Dauer ist, den körperlichen Vollzug so unmittelbar spüren lässt und bei der die Gläubigen so intensiv sich am liturgischen Vollzug beteiligen. Wer sich auf eine Wallfahrt begibt, sucht Antworten auf seine großen Lebensfragen, verlässt seine gewohnten Bahnen und bricht auf – zu sich selbst und zu Gott.

Wallfahrtsorte mögen wegen angeblicher oder tatsächlicher Geschehnisse Wunderorte sein, viel gravierender ist das Wunder einer persönlichen inneren und spirituellen Wandlung. Dem Wallen entspricht ein Sich-Wandeln. Dann wird die Wallfahrt zu einem geistlichen Werde-Gang.

Anzeige