Umfrage von "Kirche-und-Leben.de" in NRW-Bistümern

Jeder dritte 2020 verstorbene Katholik wollte kein katholisches Begräbnis

  • Bis zu einem Drittel der 2020 verstorbenen Katholiken wollten kein kirchliches Begräbnis.
  • Das zeigt eine Umfrage von „Kirche-und-Leben.de“ in NRW-Bistümern.
  • Der Kirche wird in dieser Frage keine Authentizität mehr zugetraut, sagt der Bonner Liturgiewissenschaftler Andreas Odenthal.

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Wenn es um Leben, Liebe oder Tod geht, galt die Begleitung der Kirche mit ihren traditionellen, festlichen, symbolträchtigen Riten bislang immer noch als gefragt – wenngleich auch viele Katholikinnen und Katholiken nicht mehr regelmäßig zum Gottesdienst gehen. Doch ausgerechnet am Ende des Lebens haben immer weniger das Bedürfnis nach kirchlichem Trost.

Bis zu einem Drittel aller verstorbenen katholischen Gläubigen wollten 2020 kein kirchliches Begräbnis mehr – ganz gleich, ob durch einen Priester oder Diakon, eine Pastoralreferentin oder ein eigens ausgebildetes Gemeindemitglied. Das hat eine Umfrage von „Kirche-und-Leben.de“ in den fünf nord­rhein-westfälischen Bistümern Müns­ter, Aachen, Essen, Köln und Paderborn ergeben.

Demnach betrug der Anteil der ohne kirchliche Beerdigung beigesetzten katholischen Verstorbenen im Erzbis­tum Köln 32 Prozent, im Bistum Essen sogar 35 Prozent. In beiden Diözesen waren es 2018 noch fünf Prozentpunkte weniger.

Ein Viertel im Bistum Münster

Im NRW-Teil des Bistums Münster zeigt sich die Situation nur geringfügig besser. 2020 sind zwar 7,7 Prozent mehr Menschen gestorben als noch im Jahr 2011, die Zahl der kirchlichen Beerdigungen ging dennoch um 2,3 Prozent zurück.

Und auch der Anteil der Beerdigungen ohne katholischen Gottesdienst hat sich deutlich verändert. Während 2011 im nordrhein-westfälischen Bereich des Bistums lediglich 14,4 Prozent der katholischen Verstorbenen auf eine kirchliche Beerdigung verzichteten, waren es 2020 mit 22,8 Prozent ein knappes Viertel. Konkret: 5016 verstorbene Katholikinnen und Katholiken hierzulande ließen sich im Jahr 2020 nicht kirchlich beerdigen.

Diskrepanz nicht überall im Blick

Im niedersächsischen Teil des Bistums Münster lag der Anteil unwesentlich niedriger. Dort sind 2020 insgesamt 3129 Katholikinnen und Katholiken gestorben, 2513 ließen sich kirchlich beerdigen, 616 und damit 20 Prozent verzichteten auf katholischen Beistand am Grab.

Wie wenig die Diskrepanz zwischen Sterbefällen und der Zahl der Beerdigungen im Blick ist, zeigt die Tatsache, dass die Bistümer Paderborn und Aachen zwar Beisetzungen statistisch erfassen, nicht jedoch die Zahl der katholischen Verstorbenen, wie ihre Pressestellen auf Nachfrage erläuterten.

Odenthal: Ambivalenzfreies Auferstehungsgerede

Als erschreckend, aber nicht verwundernd bewertet der Rituale-Experte Andreas Odenthal den starken Verzicht auf eine kirchliche Beerdigung: „Das gemeindliche Milieu existiert nicht mehr.“ Zudem werde der Kirche in diesen Fragen keine Authentizität mehr zugetraut, sagt der Bonner Liturgiewissenschaftler im Interview mit „Kir­che-und-Leben.de“. Er beklagt mitunter wenig persönliche Trauerfeiern und ein „völlig ambivalenzfreies Auferstehungs­gerede, so als wäre Sterben ein Sonntagnachmittagsspaziergang“.

Gleichwohl gebe es ein Bedürfnis nach „Ritual-Design“: „Die Menschen suchen besonders bei den Lebenswenden authentische Rituale, deren Design sie selber mitbestimmen können: Sie wollen, dass sie selber darin vorkommen.“ Da hätten die Kirchen „in ihren derzeitigen Krisen und mit ihren rituellen Vorgaben einen schlechten Stand“, sagt Odenthal.

Der Schatz der Glaubenserfahrungen

Die Kirche müsse in dieser Hinsicht einerseits beweglicher sein, zugleich setzt der Liturgiewissenschaftler aber auf eine „Rückbesinnung auf den eigenen Schatz“: „Der Mensch tritt aus seinem eigenen Gedankenkreis heraus und vertraut sich einem größeren Horizont von Glaubenserfahrung an.“ Das sei zweifellos anspruchsvoll, „denn christliche Liturgie gibt es nicht billiger“, betont Odenthal.

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