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Nach der Veröffentlichung der Missbrauchsstudie für das Bistum Münster müssen den Worten von Bischof Felix Genn Taten folgen. Wichtig ist, dass ihn dabei nicht der Mut verlässt, erklärt Journalist Ulrich Suffner in seinem Gast-Kommentar.
Die Wissenschaftler der Studie zum Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Priester im Bistum Münster haben Bischof Felix Genn in seinen ersten Amtsjahren in Münster eine sehr flache Lernkurve attestiert. Der Bischof hat Missbrauch zwar nicht vertuscht, aber immer wieder Milde gegen überführte Täter walten lassen, wo Strenge angebracht gewesen wäre. Er hat Pfarreien im Unklaren über Vorgeschichten von Priestern gelassen. Das sind alles keine Ruhmesblätter.
Bischof Genn muss man allerdings zu Gute halten, dass er mittlerweile zu den konsequentesten Aufklärern in der Deutschen Bischofskonferenz gehört.
Mutiges Vorpreschen im Bistum Münster
Der Autor
Ulrich Suffner ist Chefredakteur der Redaktion der OM-Mediengruppe, die im südoldenburgischen Teil des Bistums Münster die „Oldenburgische Volkszeitung“ in Vechta, die „Münsterländische Tageszeitung“ in Cloppenburg und das lokale Nachrichtenportal „OM online“ herausgibt. Der Katholik ist verheiratet und Vater von drei erwachsenen Söhnen.
Er hat dem Klerikalismus als systemische Ursache von Missbrauch zumindest in seinem Bistum den Kampf angesagt. Setzt er die angekündigten Reformen tatsächlich um, dann wären sie erste Schritte in die richtige Richtung, nicht nur für die Opfer von Missbrauch, sondern auch für das Bistum Münster. Genns vielleicht weitreichendste Initiative ist die Ankündigung, eine diözesane Verwaltungsgerichtsbarkeit einzuführen. Eine für alle deutschen Bistümer vorgesehene Gerichtsordnung der Bischofskonferenz verstaubt seit Jahren im Vatikan.
Doch die römische Blockade kann jeder Bischof in seinem Bistum aus eigenem Recht durchbrechen. Bischof Genn prescht hier mutig vor. Es wird auch dringend Zeit, dass kirchliches Leitungshandeln nach klaren Verfahren überprüft werden kann. Nur so wird Transparenz geschaffen, wo bisher – aus guten oder schlechten Absichten – allzu oft Willkür herrscht.
Öffentliche Verhandlungen notwendig
Allerdings nur unter einer wichtigen Voraussetzung: Kontrolle von Macht und Machtmissbrauch wird nur erreicht, wenn auch kirchliche Verwaltungsgerichte nach rechtsstaatlichen Standards arbeiten. Kirchliche Gerichtsbarkeit darf keine Geheimjustiz sein, hat jetzt die Gesellschaft katholischer Publizisten zu Recht angemahnt. Es braucht öffentliche Verhandlungen und Urteilsverkündungen, die Veröffentlichung von Urteilen sowie Auskunftsrechte für die Medien. Nur so lässt sich Vertrauen aufbauen.
Bisher kennt das Kirchenrecht weder Transparenz noch Öffentlichkeit, die kirchliche Arbeitsgerichtsordnung einmal ausgenommen. Bischof Genn kann bei der Errichtung seiner diözesanen Verwaltungsgerichtsbarkeit Maßstäbe setzen. Hoffentlich verlässt ihn nicht der Mut.
In unseren Gast-Kommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.