Lexikon des Judentums (6)

Warum jüdische Paare am liebsten dienstags heiraten

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Wissen ist das beste Mittel gegen Vorurteile und Antisemitismus. Zum Jubiläum „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ erläutert diese Serie Begriffe jüdischen Glaubens – diesmal von Ludger Hiepel, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster.

Nach Bar beziehungsweise Bat Mizwa ist die Hochzeit ein weiteres wichtiges Fest im Leben eines jüdischen Menschen. „Seid fruchtbar und mehret Euch und füllet die Erde“ – dieser Satz aus dem ersten Buch der hebräischen Bibel ist die Grundlage für die hohe Wertschätzung der ehelichen Lebensform.

Sie gilt als Mizwa, als Gebot. An vielen Stellen erklären Tora und Talmud, ein Leben ohne Lebenspartnerin oder Lebenspartner sei kein vollständiges Leben: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“, heißt es ebenfalls in der Tora.

Bei der Eheschließung handelt es sich der Form nach um einen Erwerbsakt, der seit talmudischer Zeit aus drei aufeinderfolgenden Rechtsakten besteht: Verlobung (schidduchin), Antrauung (kidduschin) und Heirat (nissuin). Zwischen der Verlobung, die heute vielfach in formeller Form entfällt und nach weltlichem Brauch geschieht, und der Hochzeit liegt eine unterschiedlich lange Zeit.

 

Viele Hochzeitsrituale

 

Es gibt sehr viele Trauungsrituale, die sich von Region zu Region unterscheiden – Bräuche des Ortes (minhag hamakom). Vor dem Hochzeitstag sieht sich das Brautpaar nicht mehr, in manchen Gemeinden für einen Tag und in manchen sogar für eine ganze Woche. Am Tag vor der Hochzeit fasten die Braut (kalla) und der Bräutigam (chatan).

Wird die Trauung nach der Tradition der orthodoxen Juden zelebriert, trägt die Braut ein weißes Kleid und auch der Bräutigam kleidet sich komplett in Weiß, denn die Farbe Weiß steht für Reinheit und Unschuld. Das Brautpaar sieht sich erst unmittelbar vor der Trauung wieder. Diese findet unter einem geschmückten Baldachin (chuppa) statt.

 

So läuft die eigentliche Heirat

 

Der Rabbiner spricht den Segen über einen mit Wein gefüllten Becher, aus dem beide Brautleute trinken. Mit den Worten „Siehe, mit diesem Ring bist du für mich angelobt nach dem Gesetz Moses’ und Israels“ streift der Bräutigam einen Ring über ihren rechten Zeigefinger. Der erwidernde Vorgang ist nur in liberal-jüdischen Kreisen üblich. Damit ist die Antrauung beendet. Der Rabbiner verliest danach den auf aramäisch verfassten Ehevertrag (ketuba).

Es folgt die eigentliche Heirat. Der Rabbiner verliest sieben Hochzeits-Segenssprüche, und das Brautpaar trinkt wieder einen Schluck Wein aus dem Ehebecher. Am Ende dieser Zeremonie zertritt der Bräutigam mit dem Fuß ein Weinglas. Ein Brauch, der an die Zerstörung des Jerusalemer Tempels erinnern soll.

 

Wann nicht geheiratet werden darf

 

Die Brautleute begeben sich dann in einen geschlossenen Raum, in dem sie zur Vereinigung alleingelassen werden. Anschließend folgt ein fröhliches Fest im Kreis der Familie und Freunde.

Hochzeiten dürfen nicht am Schabbat, nicht an Fest- oder Fasttagen, zwischen dem 17. Tammus und dem neunten Aw (drei Wochen der Trauer über die Zerstörung des Jerusalemer Tempels) und während der sogenannten Omer-Zeit zwischen Pessach und dem Wochenfest (Schawuot) gefeiert werden.

Ein besonders beliebter Tag zum Heiraten ist der Dienstag, denn laut Tora sagte Gott am dritten Tag der Schöpfung gleich zweimal „Siehe, es war gut“. Das gilt als besonderer Segen für die Brautleute.

Der Autor
Ludger Hiepel ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Zeit- und Religionsgeschichte des Alten Testaments der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster. In Forschung und Lehre beschäftigt er sich neben dem Alten Testament und der Altorientalistik auch immer wieder mit dem Judentum. | Foto: Stephan Kube
Ludger Hiepel ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Zeit- und Religionsgeschichte des Alten Testaments der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster. In Forschung und Lehre beschäftigt er sich neben dem Alten Testament und der Altorientalistik auch immer wieder mit dem Judentum. | Foto: Stephan Kube

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