Lexikon des Judentums (10)

„Schma Jisrael“: Bekenntnis des Glaubens an jeder Tür

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Wissen ist das beste Mittel gegen Vorurteile und Antisemitismus. Zum Jubiläum „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ erläutert diese Serie Begriffe jüdischen Glaubens – diesmal von Ludger Hiepel, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster.

„Höre, Israel! Der HERR, unser Gott, der HERR ist einzig. Darum sollst du den HERRN, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft. Und diese Worte, auf die ich dich heute verpflichte, sollen auf deinem Herzen geschrieben stehen. Du sollst sie deinen Kindern wiederholen. Du sollst sie sprechen, wenn du zu Hause sitzt und wenn du auf der Straße gehst, wenn du dich schlafen legst und wenn du aufstehst. Du sollst sie als Zeichen um das Handgelenk binden. Sie sollen zum Schmuck auf deiner Stirn werden. Du sollst sie auf die Türpfosten deines Hauses und in deine Stadttore schreiben.“ (Dtn 6,4-9)

So lautet das „Schma Jisrael“, das nach seinen hebräischen Anfangsworten (Höre Israel) benannt wird, in einer deutschen Übersetzung. Es ist unter anderem Bestandteil des jüdischen Morgengebets (hebräisch Schacharit) und des Abendgebetes (hebräisch Maariw), auch wenn es kein Gebet im gewöhnlichen Sinn ist. Vielmehr ist es ein Bekenntnis an den einzigen Gott, eine Verpflichtung auf den Bund mit diesem einzigen Gott und eine Bejahung des Judentums.

 

Handgeschriebenes Pergament am Türpfosten

 

Der Text setzt sich aus drei Teilen zusammen, bestehend aus drei Abschnitten der Bücher Deuteronomium  (6,4-9 und 11,13-21) und Numeri (15,37-41). In diesen drei Abschnitten der Tora werden mehrere für die Glaubenspraxis wichtige Gebote angesprochen: Die Rezitation des Schma Jisrael am Morgen und am Abend, die Weitergabe an die nächste Generation, das Anlegen von Gebetsriemen und Schaufäden (sie werden im nächsten Artikel des „Jüdischen Lexikons“ vorgestellt) und das Anbringen einer Mesusa.

Mesusa (im Plural: Mesusot) bedeutet „Türpfosten“ und bezeichnet zugleich eine Schriftkapsel, die am Türpfosten angebracht wird. Im Inneren dieser Kapsel befindet sich ein handgeschriebenes Pergament mit dem Schma Jisrael. Auf der Rückseite des Pergaments und auf manchen Kapseln steht das Wort „Schaddai“, einer der Namen Gottes, das hier als Akronym – ein aus den Anfangsbuchstaben mehrerer Wörter gebildetes Kurzwort – für „Schomer Delatot Jisrael“ steht, was übersetzt „Beschützer der Türen Israels“ heißt.

 

Mesusot wird regelmäßig überprüft

 

Weil das Anbringen von Mesusot ein Gebot ist und es dem Schutz des Hauses und seiner Bewohner dient, ist eine sorgsame Herstellung selbstverständlich. Die beiden Abschnitte aus dem Buch Deuteronomium werden von einem Schreiber in 22 Linien mit Feder und Tinte auf koscheres Pergament in perfekter Schrift geschrieben. Neben der Herstellung ist die Mesusa sorgsam zu pflegen und in gewissen Zeitabständen durch den Schreiber auf Unversehrtheit zu überprüfen.

Die Schriftkapseln sind aus Holz, Metall, Keramik oder Kunststoff und ganz unterschiedlich gestaltet. Da im hebräischen Text der Plural von Türpfosten verwendet wird, sind nach jüdischer Auslegung an allen Türpfos­ten eines Hauses Mesusot anzubringen, außer an denen von Badezimmern und Toiletten.

Die Mesusa für den jeweiligen Raum oder das Haus wird am rechten Türpfosten in Eingangsrichtung angebracht, üblicherweise leicht angewinkelt, wobei das obere Ende zum Raum zeigt.

Der Autor
Der Autor Ludger Hiepel ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Zeit- und Religionsgeschichte des Alten Testaments der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster. In Forschung und Lehre beschäftigt er sich neben dem Alten Testament und der Altorientalistik auch immer wieder mit dem Judentum. | Foto: Stephan Kube
Ludger Hiepel ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Zeit- und Religionsgeschichte des Alten Testaments der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster. In Forschung und Lehre beschäftigt er sich neben dem Alten Testament und der Altorientalistik auch immer wieder mit dem Judentum. | Foto: Stephan Kube

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