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In einer neuen Erklärung mahnt Rom die Kirche in Deutschland, der Synodale Weg dürfe nicht zu neuer Lehre und Moral oder neuen Leitungsformen verpflichten. Chefredakteur Markus Nolte ist in seinem Kommentar nicht nur entsetzt über die Form und Falschinformation im Schreiben. Es ist ein klares Nein zum angekündigten Machtverzicht von Bischöfen.
Offenbar musste wieder einmal irgendwer im Vatikan seinen Schreibtisch leer bekommen, bevor in Italien der kollektive Sommerruhestand ausbricht: Aus heiterem Himmel watscht eine in Form, Qualität und Inhalt erschreckend flache und knappe „Erklärung des Heiligen Stuhls“ den Synodalen Weg in Deutschland ab. Eine Ohrfeige, nach der einem Hören und Sehen vergeht – und die doch vollständig ratlos zurücklässt.
Vor zwei Jahren war das genauso, fast auf den Tag genau: Am 20. Juli 2020 schloss ohne jegliche Vorankündigung eine Instruktion der Kleruskongregation Laien von der Leitung von Pfarreien aus. Die Empörung war genauso groß wie die Überraschung, auch Bischöfe und Laien waren sauer, Felix Genn kritisierte die misslungene Kommunikation, um zwei Monate später klarzumachen: Bei uns bleibt alles, wie es ist, wir ändern nichts.
Tödlicher Florettstich für den Synodalen Weg?
Jetzt also wieder eine Watschn aus dem Vatikan, die Minuten nach ihrer Veröffentlichung genau das bewirkt hat, was sie wohl bewirken sollte: Gegner wie skeptische Beobachter des Synodalen Wegs werten die römischen Zeilen als tödlichen Florettstich, bevor es Anfang September zu womöglich wegweisenden Beschlüssen kommen würde.
Dabei bleibt die Erklärung aus dem Vatikan derart schwammig, dass man es fast dreist nennen könnte. Sie mahnt beispielsweise, der Synodale Weg sei nicht befugt, Bischöfe und Gläubige zur „Annahme neuer Leitungsformen und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten“. Das ist insofern falsch, als der Synodale Weg das weder getan noch beansprucht hat noch es rechtlich könnte, irgendwen auf eine neue Lehre oder Moral zu verpflichten. Im Gegenteil: Er hat mehrfach kundgetan, in Fragen der Lehre und Moral eben nicht selber entscheiden zu können. Wie sollte er da überdies irgendwen verpflichten? Unterstellungen gehören nicht in eine Erklärung des Heiligen Stuhls.
Klares Nein zum Machtverzicht der Bischöfe
Was die Frage neuer „amtlicher Strukturen“ angeht, sieht die Sache allerdings anders aus – wenngleich auch hier die Formulierung in der gewohnten unerträglichen nebulösen vatikanischen Sprachschwurbelei bleibt. De facto ist sie das klare Nein zur Beteiligung von Laien etwa an der Bischofswahl, wie sie jüngst im Erzbistum Paderborn – wenn auch in entscheidenden Details unklar – initiiert wurde. Sie dürfte auch ein Nein zur Teilung beziehungsweise Reduktion der bischöflichen Macht etwa durch die Einführung einer kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit sein, mit der bischöfliche Entscheidungen hätten anfechtbar werden können. Der Synodale Weg hatte sich dazu entschlossen, die Bischöfe eine entsprechende Ordnung in Rom vorgelegt. Bischof Felix Genn hat zudem erst jüngst angekündigt, für Münster eine solche Gerichtsbarkeit prüfen zu lassen.
Die jetzige Erklärung aus Rom sagt – so sehr sie auf ganz erstaunliche Weise die „Wahrung der Freiheit des Volkes Gottes und der Ausübung des bischöflichen Amtes“ zusammenbringt – schlichtweg Nein zu all diesen Bestrebungen. Das ist fatal, enttäuschend und symptomatisch zugleich.
Aggiornamento ist keine neue Lehre
Denn wieder einmal wird klar: In Rom will man offenbar nicht verstehen, dass der Synodale Weg sich redlich theologisch an einer Verheutigung der katholischen Lehre abmüht – und zwar exakt als Impuls in die Weltkirche hinein, wie die Erklärung es fordert. Rom ist offenbar nicht in der Lage, dieses Aggiornamento von der Entwicklung einer neuen Lehre zu unterscheiden. Das ist peinlich, das ist tragisch und entsetzlich enttäuschend.
Und wieder ist erschreckend unklar: Wer steckt hinter dem Ehrfurcht heischenden Absender "Heiliger Stuhl"?