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Der Pflegekinderdienst des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) im Kreis Warendorf hat ein Konzept speziell für die Pflege von Kindern durch Verwandte erstellt. Die Situation von Kindern, die von den Großeltern oder Tanten und Onkel betreut werden, unterscheidet sich in vieler Hinsicht von der in anderen Pflege-Familien. Die Zahl der vom SkF im Kreis Warendorf betreuten Verwandtenpflege-Verhältnisse hat sich in drei Jahren verdoppelt.
Ihr Respekt ist „riesengroß“, sagt Melanie Plag. Die Fachbereichsleiterin im Pflegekinderdienst des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) im Kreis Warendorf spricht dieses Kompliment in Richtung Großeltern aus, die die Pflege ihrer Enkelkinder übernehmen. „Die Anforderungen sind immens und bringen nicht nur organisatorische, sondern auch große emotionale Herausforderungen mit.“
Die Situation unterscheidet sich stark von der Pflegesituation mit fremden Kindern. „Das Umfeld bleibt, die Beziehung zu den leiblichen Eltern besteht weiter und das Pflegekind ist für die Großeltern ein vertrauter Mensch“, sagt Plag. Es behält also ein Stück wichtige Nestwärme, kennt seine Herkunft, muss sich nicht völlig neu orientieren. Die Nähe zu den Eltern hat aber auch Auswirkungen, die alle Beteiligten vor besondere Probleme stellen können.
Großmutter-Enkel-Konstellation ist häufig
Denn die Situation ist die: Beim überwiegenden Teil der Kindern übernimmt die Großmutter die Pflege, weil ihre Tochter aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr zur Versorgung in der Lage ist. „Krankheit, Suchtgeschichten, Vernachlässigung, psychische Erkrankungen…“, zählt Dorothee Rotering auf. Die Beraterin aus dem Team von Melanie Plag erlebt, dass es in dieser Konstellation häufig auch um die Aufarbeitung der Mutter-Tochter-Beziehung geht. „In der Erziehung des Enkelkindes werden dann Konflikte aus früheren Familienzeiten projiziert.“ Die Fragen, was in der eigenen Erziehung falsch gelaufen ist und jetzt besser gemacht werden muss, spielen immer wieder eine Rolle. „Es besteht die Gefahr, dass das Enkelkind zur Projektionsfläche für die eigene Vergangenheit wird.“
Es gibt weitere Voraussetzungen, die eine angepasste Unterstützung dieser Pflegekinder-Situation einfordern. So fällt die sonst intensive Phase der Anbahnung weg. Auf der anderen Seite ist die Großmutter als neue Pflege-Mutter oft älter als andere Pflegeeltern. Aufgaben, die jüngere Familien vielleicht einfacher meistern, erfordern von der Großmutter mehr Energie. Auch hat sie sich nicht bewusst und mit langem Vorlauf für ihre neue Aufgabe entschlossen und vorbereitet, sondern springt oft kurzfristig ein. Die eigene Lebensplanung kann zu diesem Zeitpunkt bereits ganz anders aussehen.
Verwandtenpflege hat eigenes Profil
Melanie Plag (links) und Dorothee Rotering haben am Konzept für den Bereich der Verwandten- und Netzwerkpflege mitgearbeitet. | Foto: Michael Bönte
All das war für den SkF in Warendorf Anlass, sich 2018 auf den Weg zu machen, um für dieses spezielle Anforderungs-Profil ein eigenes Betreuungskonzept zu entwickeln. Mit den Erfahrungen aus der eigenen Arbeit und der Jugendämter, mit Informationen aus Gesprächen mit Pflegefamilien sowie mit wissenschaftlicher Begleitung entstand ein „Konzept für den Bereich der Verwandten- und Netzwerkpflege“. „Es ging uns darum, die Besonderheiten dieses Bereichs zu benennen, die Anforderungen herauszuarbeiten und die unterschiedlichen Rollen klar zu bekommen, um ein spezielles Profil unserer Hilfen entwickeln zu können“, sagt Plag.
Herausgekommen ist eine 44-seitige Fach-Information, die nicht nur im Kreis Warendorf auf Interesse stößt. Denn die Besonderheiten in der Betreuung der Familienpflegenden sind überall gleich. So gibt es auf der einen Seite Dinge, die für eine Großmutter weniger von Belang sind. „Ich muss einer Oma nicht erklären, wie der Bindungsaufbau zum Pflegekind funktionieren kann“, nennt Rotering ein Beispiel. Auf der anderen Seite braucht sie aber Unterstützung in Bereichen, die sie überfordern können. „Etwa im schulischen Umfeld des Enkels, weil sie aus dem Thema schon lange raus ist.“
Nachfrage ist gestiegen
Aus diesen und ähnlichen Erkenntnissen sind Angebot wie spezielle Schulungen, Treffen von Familienpflegenden zum Austausch oder praktische Hilfestellungen entstanden. „Wir sind mit diesem Bereiche in den vergangenen Monaten von den Jugendämtern vermehrt angefragt worden, weil wir Spezialisten geworden sind“, sagt Plag.
Das hilft auch, der steigenden Nachfrage gerecht zu werden. 22 Verwandtenpflegefamilien betreut der SkF im Kreis Warendorf derzeit. Diese Zahl hat sich in den vergangenen drei Jahren verdoppelt. Was nicht heißt, dass es doppelt so viel Angehörige gibt, die sich dieser Aufgabe widmen. „Es gab immer schon eine hohe Zahl an Kinderpflege-Situationen, die innerhalb der Verwandtschaft geregelt wurden“, sagt Rotering. „Mittlerweile werden sie aber vermehrt offiziell gemacht.“ Auch um Anspruch auf Beratung, Unterstützung und Pflegegeld geltend machen zu können. Der entscheidende Grund für den Einsatz bleibt aber ein anderer, sagen die Beraterinnen: „Die Liebe zum Enkelkind, zur Nichte oder zum Neffen.“