Essener Bischof warnt vor Rechtsruck in Deutschland

Ruhrbischof Overbeck in Münster: „Die AfD darf man nicht wählen“

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Zur politischen Wachsamkeit hat der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck bei einer Gemeindeversammlung in Münster aufgerufen. Zur AfD hat er eine klare Meinung.

Es ist ein eindringlicher Appell, den der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck an die Katholiken gerichtet hat: „Die AfD hat sich von den demokratischen Grundsätzen entfernt. Die Partei ist für Katholiken nicht wählbar. Sie darf man nicht wählen“, sagte der Ruhrbischof auf einer Gemeindeversammlung der Pfarrei St. Clemens in Hiltrup-Amelsbüren im Süden von Münster.

Overbeck sprach zunächst über Formen des Widerstands in der Zeit der Nazi-Diktatur und über den in Hiltrup aufgewachsenen Kaplan Bernhard Poether, der 1942 im Konzentrationslager Dachau an den Folgen von Unterernährung und Folter starb. Der Bischof nahm dann aber in der Diskussion mit den rund hundert Gemeindemitgliedern auch zu aktuellen politischen und kirchlichen Themen Stellung.

Overbeck fordert Verteidigung der Menschenwürde

Die klare Abgrenzung zur AfD begründete Overbeck mit nicht hinnehmbaren Verhaltensweisen dieser Partei wie jüngst der Beteiligung an Zusammenkünften von Rechtsextremisten: „Wer andere Menschen deportieren will, spricht ihnen die Menschenwürde ab. Aus gutem Grund ist die Würde des Menschen im Grundgesetz fest verankert. Wer dagegen spricht, ist nicht mehr demokratisch.“

Die jüngsten Wahlumfragen, etwa zu den Landtagswahlen in Thüringen in diesem Jahr, seien ein Alarmzeichen. „Jeder Dritte dort will AfD wählen. Das ist erschreckend und fordert uns heraus.“

Ruhrbischof: „Migranten gehören zu uns“

Das Geheimtreffen der Rechten in Potsdam und ähnliche Verabredungen bezeichnete der Ruhrbischof als „widermenschlich“. Unter dem Applaus der Gemeindemitglieder rief er zur politischen Wachsamkeit auf und warnte davor, das Christentum von anderen missbrauchen zu lassen. „Gerade im Bistum Essen leben viele Migrantinnen und Migranten, die zu uns gehören. Das Reden von Rückführungen ist einfach unmenschlich und zutiefst unchristlich.“

In der Diskussionsrunde warnte Overbeck vor einem Auseinanderbrechen der Europäischen Union (EU) und einer nachlassenden Hilfe für die Ukraine. „Russland ist der Aggressor. Das Land missbraucht die Religion, um den Krieg zu legitimieren. Die russisch-orthodoxe Kirche spielt eine unheilvolle Rolle“, sagte der Ruhrbischof und wünschte sich in dieser Frage deutlichere Worte aus dem Vatikan.

Franz-Josef Overbeck hofft auf Kirchenreformen

Gefragt nach der Zukunft der katholischen Kirche, setzt Overbeck, der Mitglied der Weltsynode in Rom ist, auf Erneuerungen und spürbare Reformen. „Ich hoffe, dass der Diakonat der Frau kommt. Ich setze auf eine Neubewertung der Sexualität in allen Beziehungen und auf mehr Gleichberechtigung von Mann und Frau.“

Zur Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren und den vatikanischen Erläuterungen dazu, erklärte Overbeck: „Es ist gut, dass es diese Form der Segnung gibt. Das Wort von irregulären Paaren in diesem Zusammenhang halte ich nicht für gut und angebracht.“

Segensfeier für alle Paare

In der Praxis würden nur wenige homosexuelle Paare einen Segen erbitten. „Viel mehr wiederverheiratete Geschiedene fragen danach.“ Paare, die den Segen Gottes für ihre Liebe wünschten, würden im Bistum Essen in ihrem Wunsch und bei der Planung einer Segensfeier unterstützt und begleitet, sagte Overbeck.

In seinem Referat hatte der Bischof an die Märtyrer zur Zeit des Nationalsozialismus erinnert und dabei anhand von Beispielen verschiedene Formen des Widerstands deutlich gemacht. Kaplan Poether, dessen Urne in einem Seitenaltar der Hiltruper Pfarrkirche St. Clemens eingelassen ist, hatte sich im Ruhrgebiet für die Minderheit der ruhrpolnischen Bevölkerung eingesetzt. Das brachte ihn in Konflikt mit dem NS-Regime.

Overbeck erinnert an Beispiele aus dem kirchlichen Widerstand

Dietrich Bonhoeffer, der kurz vor Kriegsende im April 1945 hingerichtet wurde, hatte sich von Anfang an kritisch mit dem Nationalsozialismus auseinandergesetzt und steht nach Worten von Overbeck für einen ökumenisch verstandenen Widerstand aller Christen. Die „Lübecker Märtyrer“ – dazu gehören die drei katholischen Priester Johannes Prassek, Eduard Müller und Hermann Lange und der evangelische Pfarrer Karl Friedrich Stellbrink, die wegen kritischen Bemerkungen zu den Unrechtstaten der Nationalsozialisten 1943 hingerichtet wurden – hätten sich überkonfessionell verständigt, um Widerstand zu leisten.

Die aus Studentenkreisen in München gebildete „Weiße Rose“ habe sich auf christliche und humanistische Werte bezogen und stehe für ein „Handeln von unten“. „Wenn die Menschenwürde mit Füßen getreten wird, muss sich Menschlichkeit mit Widerständigkeit verbinden. Das zeigen diese Beispiele“, sagte Overbeck.

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