Kommentar von Chefredakteur Markus Nolte zu Entscheidungen im Erzbistum Köln

Woelki-Beschluss: Vielleicht sollte auch das Volk Gottes eine Auszeit nehmen

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Die lang ersehnte Entscheidung aus Rom über Kardinal Woelki ist da - doch sie ist nicht die Entscheidung, die sich viele ersehnt haben. Im Gegenteil, meint Chefredakteur Markus Nolte in seinem Kommentar: Was zählt, ist nicht der Wunsch eines Großteils des Volkes Gottes.

Papst Franziskus erfüllt Wünsche. Leider nur bischöfliche. Nicht aber die eines Großteils des Volkes Gottes weit über das Erzbistum Köln hinaus. Auch nicht die vieler von sexuellem Missbrauch und dessen Vertuschung Betroffener. Woelki darf bleiben. Und seine Weihbischöfe gleich mit. Und der Ex-Kölner Stefan Heße in Hamburg auch. Es ist unglaublich.

Das alles trotz der schwersten Krise, in die sich die katholische Kirche in Deutschland durch das Verhalten von gleich vier Kölner Bischöfen gestürzt sieht. Das alles hat keinerlei Konsequenzen, null, niente, nada. Das ist nicht nur unvermittelbar, das ist schlichtweg unbegreiflich.

 

Woelki im Garten, Schwaderlapp in Afrika

 

Stattdessen: Papst Franziskus in Spendierlaune. Woelki darf sich eine sechsmonatige Auszeit gönnen. Er hatte recht freundlich darum gebeten. Er darf in sich gehen, den Neuanfang zu planen, wie der Kardinal in seinem Garten nicht gerade fröhlich, aber doch alles andere als zerknirscht ankündigte. Wohin es ihn in dem halbjährigen, staatlich bezahlten Sonderurlaub verschlagen wird, verrät er nicht. Geht halt keinen an. 

Ganz anders der Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp, dem das Gercke-Gutachten im März acht Pflichtverletzungen im Umgang mit Missbrauch nachgewiesen und der darauf hin seinen Rücktritt angeboten hatte. Bevor er seinen Dienst wieder antritt, darf auch er erstmal raus. Der Papst hat auch ihm diesen Wunsch erfüllt. Für ein Jahr als Seelsorger, als "einfacher Priester", "als Lernender" nach Kenia! Zur Horizonterweiterung und Vertiefung seiner Berufung. Na, bitte!

Zurückbleibt ein einziger aktiver unbescholtener Weihbischof. Der muss jetzt das Haus hüten. Es hätte auch einer von außen kommen können, des Neuanfangs wegen und wegen der Arbeitsbelastung. Aber wahrscheinlich hat sich das keiner gewünscht in der Kölner Bistumsleitung. Dann wird das auch nichts. 

 

Offenbar drängt nichts

 

Bei aller Loyalität: Die Bischöfe in Deutschland erwecken nicht nur in Köln, sondern auch am Ende der erst gestern mit ungerührten Ämter-Bestätigungen für Woelki und Heße abgeschlossenen Vollversammlung der Bischofskonferenz den Anschein, als sei das alles nicht so schlimm. Als dränge nichts. Als hätte man alle Zeit der Welt. Nur nicht für Konsequenzen. Nur nicht für Nachfragen. Nur nicht für mutige Schritte nach vorn, zusammen mit vielen, vielen engagierten Gläubigen, die sie an ihrer Seite hätten.

Und wenn sie meinen, man dürfe jetzt nichts überstürzen, wegen der Zeit und der Wunden und so: Exakt drei Minuten hat Kardinal Woelki sich abringen können, um in seinem blühenden Bischofsgarten einige belanglose Sätze in die Kameras und Mikrofone zu sprechen. Drei Minuten. Für eine Erklärung, die nicht erklärte. Das ist schlichtweg dreist.

 

Bischöfliches Vorbild

 

Vielleicht sollte sich einfach auch das Volk Gottes mal eine Auszeit nehmen, wenngleich im Unterschied zu den Bischöfen ohnehin schon viele gegangen sind, weil sie gehen mussten, weil sie nicht den Vorstellungen der Kirche von guten Christinnen und Christen entsprachen. Viele gehen auch ganz freiwillig, weil sie nicht mehr bleiben können. Nach dem heutigen Tag dürfte der Sturm auf die Amtsgerichte nicht mehr aufzuhalten sein.

Und die, die bleiben, weil sie sich unsere Kirche nicht kaputt machen lassen wollen, weil sie ihnen immer noch nicht egal ist, Gott und der Glaube schon gar nicht? Ja, wirklich: Vielleicht sollte einfach auch das Volk Gottes mal eine Auszeit nehmen - nach bischöflichem Vorbild. Nächste Woche wäre eine gute Chance dafür. Wünsche erfüllt bekommen wird es dafür allerdings immer noch nicht.

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