Kann er von sich aus gehen? Wer entscheidet? Kann man ihn zwingen?

Ein Bischof tritt zurück – wie geht das?

  • Kann ein katholischer Bischof einfach von sich aus sagen „Ich trete zurück“?
  • Kann der Papst einen Rücktritt anordnen oder erzwingen?
  • Wer entscheidet, wie läuft das Verfahren?

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Rainer Maria Woelki und Stefan Heße, die Erzbischöfe von Köln und Hamburg, sprachen zuletzt davon, die Entscheidung, ob sie sich etwas haben zuschulden kommen lassen, „in die Hände des Heiligen Vaters zu legen“. Was bedeutet diese blumige Phrase?

Die „Hände des Heiligen Vaters“ sind die Bischofs- oder die Missionskongregation, je nach dem, um welche Diözese es geht. Dort beginnt ein mehr oder weniger langwieriges Verfahren, in dem es um Kirchenrecht, Verwaltungsvorschriften, aber auch um Kirchenpolitik, Diplomatie und menschliche Schicksale geht. Ob aus dem Verwaltungs- unter Umständen ein Strafverfahren wird, entscheidet sich im Verlauf.

 

Verbleib, Versetzung und weitere Optionen

 

Der Papst kann aber auch eine Akte anfordern und jedes Verfahren an sich ziehen. Vor allem bei Kardinälen wird er selber genauer hinschauen. Als Kardinal Philippe Barbarin, früher Erzbischof von Lyon, wegen eines gegen ihn laufenden Gerichtsverfahrens seinen Rücktritt anbot, nahm Franziskus diesen zunächst nicht an. Einen Anspruch auf Annahme des Amtsverzichts hat ein Bischof nicht.

Wie komplex das Gerangel um Verbleib, Versetzung und Co. verlaufen kann, legt der vatikanische Untersuchungsbericht zu Ex-Kardinal Theodore McCarrick dar. Nachdem er, wie laut Kirchenrecht vorgeschrieben, zu seinem 75. Geburtstag 2005 dem Papst seinen Rücktritt als Erzbischof von Washington angeboten hatte, bat Benedikt XVI. ihn, noch zwei Jahre im Amt zu bleiben.

 

Gesundheit und andere Rücktrittsgründe

 

Als aber Gerüchte und Hinweise zu McCarricks früherem Fehlverhalten lauter und deutlicher wurden, nahm der Papst das Rücktrittsangebot schon vorher an. Abgesprochen wurde nur noch der Zeitpunkt der Bekanntgabe: 16. Mai 2006.

Neben der Altersgrenze kennt das kirchliche Gesetzbuch, der Codex Iuris Canonici, in Kanon 401 § 2 zwei weitere Anlässe für Rücktrittsangebote: Wenn ein Bischof wegen „angegriffener Gesundheit oder aus einem anderen schwerwiegenden Grund nicht mehr recht in der Lage ist, seine Amtsgeschäfte wahrzunehmen“, wird er nachdrücklich gebeten, den Amtsverzicht anzubieten. Anders als beim 75. Lebensjahr lässt dieser Paragraf viel Spielraum.

 

Versetzung, Absetzung, Amtsenthebung

 

Rechtlich entscheidet nur der Bischof selber, ob Gründe für ein Rücktrittsangebot vorliegen. Was die Öffentlichkeit oder Medien dazu meinen, ist juristisch irrelevant. Ist der Vatikan von sich aus der Meinung, ein Bischof solle auf sein Amt verzichten, kann ihn die Bischofskongregation zu dem Angebot auffordern. Erzwingen kann sie es nicht.

Der nächste Schritt aus Sicht Roms wäre, den Bischof an seine Gehorsamspflicht gegenüber dem Papst zu erinnern. Zieht auch das nicht, sieht das Kirchenrecht formal drei weitere Schritte vor: Versetzung, Absetzung und Amtsenthebung – wobei sich letztere nur formal unterscheiden: Die Enthebung aus dem Amt ist eine Disziplinar-, die Absetzung eine Strafmaßnahme wegen vorsätzlichen nachgewiesenen Fehlverhaltens.

 

Wegloben oder einen Titel vergeben

 

Für Versetzung entschied der Papst sich beim früheren Bischof von Chur in der Schweiz, Wolfgang Haas. Lange hielt Johannes Paul II. an ihm fest, dann entschied er sich für die beliebte Lösung des Weglobens: Für Haas schuf der Papst das neue Erzbistum Vaduz in Liechtenstein.

Anders verfuhr er mit Bischof Jacques Gaillot von Evreux. Der sozial engagierte Geistliche, eine Identifikationsfigur fortschrittlich-liberaler Katholiken, wurde 1995 abgesetzt und zum Titularbischof der antiken Diözese Parthenia ernannt.

 

Der Rücktritt Tebartz-van Elst

 

In Deutschland noch lebhaft in Erinnerung ist der Streit um den früheren Bischof von Limburg, Franz-Peter Tebartz-van Elst. Nachdem aus zunächst begrenzter Kritik an seiner Amtsführung eine Kontroverse um Baukosten des neuen Bischofshauses geworden war, beauftragte der Papst den früheren Nuntius in Berlin, Kardinal Giovanni Lajolo, mit einer Visitation.

Danach wurde der Paderborner Weihbischof Manfred Grothe als Apostolischer Administrator eingesetzt. Am Ende bot Tebartz-von Elst seinen Rücktritt an. Eines von etlichen Beispielen, in denen man anhand der Vorgeschichte erschließen kann, wie „freiwillig“ das Angebot erfolgte. Gleiches gilt für das kollektive Rücktrittsangebot der chilenischen Bischöfe im Mai 2018 wegen des Missbrauchskandal dort.

 

Zwei Rücktrittsgründe

 

Ob der Papst ein Rücktrittsangebot annimmt, entscheidet er „nach Abwägung aller Umstände“, heißt es im Codex. Er wird in Konfliktfällen neben dem Kirchenrecht auch die pastorale, politische Situation im Bistum und die persönliche Lage der Betroffenen mitbedenken.

Grund für einen Wechsel in der Bistumsleitung ist, dass „eine fruchtbare Ausübung des bischöflichen Amtes“ nicht mehr möglich oder die Einheit einer Diözese nicht mehr gewahrt ist. Die Sachverhalte müssen für den Vatikan aber überzeugend nachgewiesen sein.

 

Der Vatikan reagiert so gut wie nie auf Druck

 

Auf öffentlichen Druck reagiert man im Vatikan eher wenig. Die Ernennung von Bischöfen durch den Papst ist eines der wichtigsten Merkmale der katholischen Kirche – im Laufe von Jahrhunderten auch gegen politischen Druck verteidigt. Die Entscheidung, wer wo wie lange Bischof ist, wollen sich Kurie und Papst nicht vorschreiben lassen. Und in Ländern, in denen per Konkordat Staat und Domkapitel beteiligt sind, achtet man penibel darauf, diese Regeln einzuhalten.

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