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Der Andrang im Geschäft ist derzeit so groß, dass er Bernard Kuhlmann an gut laufendende Advents-Samstage erinnert. Allerdings gibt es dafür einen etwas wehmütigen Hintergrund: Das Traditionsgeschäft für Kerzen, Kunst und Devotionalien schließt am Jahresende nach 133 Jahren im Familienbesitz seine Pforten an Münsters Salzstraße. Und dennoch kochen auch in seiner Belegschaft mitten im Räumungsverkauf die Diskussionen um mögliche Sonntags-Öffnungen im Advent hoch.
„In Münster hat es ja in den vergangenen Jahren keine verkaufsoffenen Advents-Sonntage mehr gegeben“, so Bernard Kuhlmann, der mit dem Vorstoß der Landesregierung für gleich fünf im Advent und zu Anfang des neuen Jahres ein Extrem durch das andere abgelöst sieht.
An Sonntagen wurde die Familie eingespannt
Für sein Inhabergeführtes Geschäft mit wenigen Fachangestellten ergab sich bei den Sonntags-Öffnungen vor Jahren stets die Frage, wie das personell zu stemmen sei: „Wir haben dann immer die Familie eingespannt und zwei Mitarbeitende“, erinnert er sich daran, dass allerdings – egal, ob beim Stadtfest, Send oder eben im Advent – höchstens die Stromkosten erwirtschaftet wurden. „Die Zusatzkosten haben wir geschluckt, um gemeinsam mit den anderen Geschäften präsent zu sein und Münster für die überwiegend auswärtigen Besucherinnen und Besucher attraktiv darzustellen.“
Den großen Umsatz versprechen nach seinen Erfahrungen Sonntags-Öffnungen zumindest für den kleineren Fachhandel nicht unbedingt. „Die Menschen wollen sich informieren, wollen die Stadt kennenlernen und unterhalten werden“, ist sein Eindruck. Deshalb schlügen auch zwei Herzen in seiner Brust: „Zum einen möchte man sich präsentieren und Beratung bieten, zum anderen verstehe ich die Mitarbeiterschaft, die nach langen Wochentagen nicht auch noch am Sonntag im Laden stehen möchte.“ Aushilfen kann Familie Kuhlmann nur begrenzt einsetzen – „bei uns ist Fachpersonal wichtig“.
Kuhlmann: Corona verstärkt Internet-Konkurrenz
Geärgert hat ihn und seine Frau Hildegard allerdings, dass es in Münsters Umland durchaus verkaufsoffene Sonntage gegeben hat. „Da stellt sich dann doch die Frage nach gleichen Chancen“, sinnieren beide. In diese Konkurrenz-Situation nehmen sie auch das Internet mit hinein. „Gerade in den vergangenen Monaten, in denen viele Menschen ins Homeoffice gewechselt sind, liegt der Amazon-Klick am PC für so manchen näher als der Gang ins Fachgeschäft.“ Es komme aber auch zunehmend vor, dass ihm das Smartphone mit den Internet-Preisen vor die Nase gehalten werde. „Dann kann man nur versuchen, die Vorteile der Beratung, des Anfassen-Könnens und des Auswählens vor Ort darzustellen.“
Das Argument, dass bei Sonntags-Ladenöffnungen in Corona-Zeiten das Gedränge zu groß und gefährlich werden könnte, will Kuhlmann nicht gelten lassen. „Nach unseren bisherigen Erfahrungen – sogar jetzt beim Run auf ‚Räumungs-Schnäppchen‘ - sind die Kundinnen und Kunden rücksichtsvoll, vorsichtig und halten sich disziplineiert an die begrenzte Personenzahl“, lobt das Ehepaar.
Ausfall religiöser Feste sorgte für dramatischen Umsatzeinbruch
Gerade in seiner Branche sieht Bernard Kuhlmann im Übrigen wenig Chancen, die durch Corona im Laufe des Jahres ausgefallene Umsätze an verkaufsoffenen Sonntagen doch noch etwas auszugleichen. „Viele religiöse oder Familien-Feste sind 2020 ausgefallen oder verschoben worden. So sind auch die Gelegenheiten für entsprechende Geschenke weniger geworden.“ Belegen kann das Inhaber-Ehepaar das etwa mit der Zahl der zum Verzieren georderten Kerzen: „Bis jetzt sind es knapp über 600 Aufträge für Tauf-, Hochzeits- oder Jubiläumskerzen - in den Jahren vor Corona waren bis Oktober rund 1.500 die Regel“. Das könne man ebenso wenig wieder aufholen wie die sonstigen dramatischen Umsatzverluste.
Noch steckten die angedachten verkaufsoffenen Sonntage in einem schwebenden Verfahren, und die Entscheidung ist noch nicht gefallen, ob Kerzen Kuhlmann im Dezember zum letzten Mal auch sonntags die Türen aufschließt. „Wir werden sehen“.