Jörg Meyrer: "Die Menschen kommen mit dem an, was sie am Körper tragen"

Flutkatastrophe in Ahrweiler: Pfarrer erlebt große Hilfsbereitschaft

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Starker Regen und Hochwasser haben Bad Neuenahr-Ahrweiler im nördlichen Rheinland-Pfalz besonders stark getroffen. Mehrere Menschen starben. Andere werden vermisst. Häuser wurden zerstört. Der Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft Bad Neuenahr-Ahrweiler, Jörg Meyrer, hilft seit Donnerstagmorgen vor Ort in der Einsatzzentrale des Deutschen Roten Kreuzes mit. Im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur berichtet er am Donnerstagabend über die Lage nach der Flutkatastrophe.

Herr Pfarrer Meyrer, wie erleben Sie die Situation?

Bad Neuenahr-Ahrweiler ist komplett ohne Wasser und Strom. Ich bin gerade in einen Nachbarort gefahren, um das Handy aufzuladen und zur Toilette zu gehen. Die Stadt ist wie das ganze Ahrtal zerstört. Ich weiß von rund 1.000 Familien, die keine Bleibe mehr haben. Die Brücken in Bad Neuenahr-Ahrweiler sind kaputt. Wir kommen gerade nicht auf die andere Ahrseite. Stellen Sie sich vor: Die Ahr ist eigentlich ein kleiner Bach. Heute Nacht war sie ein riesiger, breiter Strom und ist sieben Meter über die Ufer getreten. Unsere drei Kirchen sind nicht mehr brauchbar - wobei das gerade wirklich nicht das Wichtigste ist. Die Situation in der Stadt ist katastrophal.

Sie selbst sind seit Stunden mit einem Kollegen im Einsatz.

Wir haben uns heute Morgen mit dem Auto durchgeschlagen und sind seitdem in der Einsatzzentrale des Roten Kreuzes. Wir vermitteln Kontakte, Zimmer, Kleidung, haben ein Mittagessen organisiert. Die Menschen kommen hier mit dem an, was sie am Körper tragen. Und das ist alles nass. Viele Wohnungen sind auch im ersten Stock völlig überflutet und zerstört. Wir versuchen bei allem zu helfen, was gerade anfällt, beispielsweise wenn Menschen verwirrt waren, eine Auskunft brauchten oder einfach Strom, um das Handy zu laden. Wir haben heute lange mit Menschen gesprochen, die nur eine Tüte in der Hand hielten - und sonst nichts. Und die sagen, wir haben kein Zuhause mehr, wir können in unsere Wohnungen nicht zurück. Einige sind jetzt vorübergehend in benachbarten Orten und umliegenden Stadtteilen untergebracht, teilweise in Sporthallen, die zu Bettenlagern umfunktioniert wurden.

Wie funktioniert die Hilfe?

Die Ehrenamtlichen sind teilweise seit 24 Stunden im Einsatz. Die Stimmung ist unglaublich professionell. Ich erlebe eine große Zugewandtheit der Helfer und insgesamt eine große Hilfsbereitschaft. Die Menschen hier brauchen eine Perspektive. Aber die werden sie so schnell wohl nicht bekommen. Denn wie versorgt man eine Stadt, in der es kein Wasser gibt, kein Brot? In der die Hotels überschwemmt sind. Autos stehen quer auf den Straßen, übereinandergestapelt und kaputt. Die Lage ist völlig unübersichtlich. Ich habe bei einer Frau gesessen, die hochgradig verwirrt ist. Wir wissen nicht, ob ihr Mann noch lebt. Ich bin trotz allem überzeugt, dass das Ahrtal das schaffen wird. Die Menschen sind sehr solidarisch miteinander verbunden. Aber es wird lange dauern und tiefe Spuren hinterlassen.

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