ZdK und Frauenbund würdigen neue Sichtweise des historischen Gutachtens

Missbrauch: Lob für Münsters Studie – Staat soll bei Aufarbeitung helfen

  • Der neuartige historische Ansatz der Missbrauchsstudie für das Bistum Münster hat viel Lob erfahren.
  • Auch die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, würdigte die Untersuchung.
  • Claus und Betroffenenvertreter forderten zugleich erneut mehr staatliche Hilfe bei der Aufarbeitung.

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Der neuartige historische Ansatz der Missbrauchsstudie für das Bistum Münster hat viel Lob erfahren. Das erklärten das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB). Auch die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, würdigte die Untersuchung.

Claus sagte, positiv sei vor allem die Einbindung Betroffener in die Untersuchung der Universität Münster, sagte Claus der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die von Forschenden um den Historiker Thomas Großbölting aufgedeckten Fehler von Bischöfen im Umgang mit Missbrauchsfällen müssten nun auch Konsequenzen haben.

Claus: Staat darf Kirche bei Aufarbeitung nicht allein lassen

Claus unterstützte die Forderung der Autoren nach einer starken staatlichen Beteiligung an der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche. Der Staat dürfe die Kirche hier nicht allein lassen.

Die Beauftragte lobte, dass die Untersuchung für Münster nicht von Juristen durchgeführt wurde, sondern von vier Neuzeithistorikern und einer Anthropologin. Dieser Perspektivwechsel ermögliche es, den Fokus auf spezifische kirchensystemische Faktoren zu richten, welche die Taten begünstigt und ihre Aufdeckung verhindert hätten.

Justizminister Buschmann sieht Handlungsbedarf

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat seinerseits die katholische Kirche zu konsequenterer Aufklärung aufgefordert. Das Gutachten zum Bistum Münster zeige, „dass es bei Aufklärung und Aufarbeitung dieser Taten noch großen Handlungsbedarf gibt“, erklärte Buschmann am Montag in Berlin.

Der Minister verwies auf das Angebot der Bundesregierung, bei der Aufarbeitung zu unterstützen, sowie die Vereinbarung im Koalitionsvertrag, die Aufarbeitung struktureller sexualisierter Gewalt zu verbessern. „Die katholische Kirche selbst sollte das größte Interesse daran haben, dass nicht der Eindruck besteht, sie wolle Dinge verdecken und muss auch selbst Konsequenzen ziehen“, sagte Buschmann.

„Eckiger Tisch“: Freiwillige Gutachten der Bistümer genügen nicht

Auch der Sprecher der Betroffenen-Initiative „Eckiger Tisch“, Matthias Katsch, erklärte: „Die Aufarbeitung der sexuellen Gewalt gegen Kinder muss der Kirche aus der Hand genommen werden.“ Es könne nicht sein, dass Aufklärung davon abhänge, „dass die Täterorganisation freiwillig Gutachten in Auftrag gibt“. In Münster scheine dies zwar gelungen zu sein, aber viele Bistümer bis heute nicht einmal Gutachten beauftragt.

„Klar widerlegt wurde die kirchliche Schutzbehauptung, man habe vorher nur von Einzelfällen gewusst“, betonte Katsch. Die katholische Kirche müsse „endlich angemessenen Schadensersatz leisten“. Bisher spiegelten die ausgezahlten Gelder „bei Weitem“ nicht die Schuld der Organisation wider.

ZdK: Neue Sichtweise ergänzt bisherige Studien entscheidend

Der Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Marc Frings, lobte das Gutachten aus Münster als „Meilenstein auf dem Weg der Aufarbeitung“. Der historische und gleichzeitig sozial-anthropologische Ansatz der Forschenden ergänze bisherige juristische Studien entscheidend.

Nun sei auch der Katholizismus in seiner Binnenstruktur untersucht worden, die Machtstellung des Priesters und Rollenkonflikte kirchlicher Vorgesetzter der Täter. Nach Ansicht des ZdK brauche es daher eine „Innenrevision“ der Kirche. Frings äußerte sich überzeugt, dass der Reformprozess Synodaler Weg der katholischen Kirche in Deutschland zu dieser Innenrevision „Entscheidendes beizutragen hat“ – zumal Frings der Ansicht des Studienleiters Großbölting zustimmt, die „pastorale Selbstkritik“ habe noch nicht eingesetzt.

Frauenbund: Studie zeigt Folgen für Betroffene besser auf

Auch der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) würdigte, dass in die münstersche Untersuchung neben dem Studium der Akten Interviews mit Betroffenen eingeflossen sind: „Damit kann die Studie mehr als andere Gutachten das erschütternde Ausmaß und die Folgen des Missbrauchs für die Betroffenen aufzeigen und deren Engagement in der Aufarbeitung, Aufklärung und Vernetzung darstellen“, sagte KDFB-Präsidentin Maria Flachsbarth.

Die Studie stelle „gegen verbreitete Narrative“ fest, dass weder die sexuelle Revolution noch die Pädophilenbewegung Missbrauch in der Kirche begünstigt hätten. Vielmehr habe „die unangefochtene, sakral aufgeladene Autorität von Priestern“ den Widerstand von Betroffenen und die Glaubwürdigkeit von Zeugen geschwächt. Zugleich werde „die erschreckende Untätigkeit und Komplizenschaft der Eliten aus Kirche und Gesellschaft“ deutlich.

Ergebnisse der Studie aus Münster

Die am Montag vorgestellte Studie weist allen Münsteraner Bischöfen seit 1945 Fehler im Umgang mit Missbrauchsfällen nach. Beschuldigte und teils verurteilte Geistliche seien immer wieder versetzt worden; das habe weitere Taten ermöglicht. Dem aktuellen Bischof Felix Genn bescheinigen die Autoren, in seinen ersten Jahren in Münster reuigen Tätern kirchenrechtlich nicht immer mit der gebotenen Strenge begegnet zu sein und erst später den Umgang mit Missbrauchsfällen verändert zu haben.

Die Untersuchung zählt nach Auswertungen von Akten und Betroffenen-Interviews 196 Beschuldigte. Die Zahl der Betroffenen liegt bei 610. Die Dunkelziffer sei aber bis zu zehnmal so hoch, so die Studienautoren.

Update 16.30 Uhr: ZdK und KDFB ergänzt. 17.55 Uhr: Reaktion von Bundesjustizminister Buschmann ergänzt.

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