Warum die Wiedereröffnung in der Corona-Krise so wichtig ist

Mehr als billige Klamotten: Cari-Treff in Kamp-Lintfort

Lange war der Cari-Treff in Kamp-Lintfort wegen Corona geschlossen. Das hieß: keine günstigen Klamotten und andere Second-Hand-Ware. Dass es jetzt wieder losgeht, freut viele - bei weitem nicht nur wegen der billigen Sachen.

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„Haben Sie schon auf?“ Auf zwei Krücken gestützt, strebt Marion König dem Eingang des Cari-Treffs entgegen. Thomas Riedel, mit einer Gesichtsschutzmaske versehen, begrüßt die 63-Jährige mit launigen Worten. „Kommen Sie rein, ein Einkaufswagen ist noch frei, es ist also noch Platz im Geschäft. Aber Kaffee gibt es noch nicht“, sagt der 59-jährige Pastoralreferent, der auf dem Rathausplatz in Kamp-Lintfort steht.

Vor dem Treffpunkt sind mehrere Stühle in zwei Metern Abstand aufgestellt, damit sich Kunden, die warten müssen, bis sie an der Reihe sind, hier setzen können. Vor dem Eingang in die Boutique für Second-Hand-Ware ist eine Sprühflasche mit Desinfektionsspray aufgestellt. Hinter der mit Plexiglas geschützten Kasse stehen mehrere Mitarbeiter, um den Kunden behilflich zu sein. Eine schriftliche Mahnung, Abstand zu halten und eine Schutzmaske zu tragen, ist auch angebracht. Fünf Kunden dürfen gleichzeitig den Laden betreten. Geschäftsbetrieb in Corona-Zeiten.

 

Anweisung des Bistums gab den Impuls

 

Das gilt auch für den Cari-Treff, ein gemeinsames Projekt der katholischen Kirchengemeinde St. Josef Kamp-Lintfort und des Caritasverbandes Moers-Xanten. „Seit 2008 gibt es diese Einrichtung“, erinnert sich Riedel. Der Treffpunkt hat sich aus dem Kellerraum der Kleiderstube entwickelt, die früher im Schwesternhaus untergebracht war. „Das Bistum hat die Gemeinden damals aufgefordert, Flächen zu sparen“, weiß der Pastoralreferent, der in der Pfarrgemeinde für den Pastoralbereich „Caritas“ verantwortlich ist.

Gemeinsame mit dem Caritasverband wurden die Räume am Rathausplatz angemietet, so Riedel. Aus der Notwendigkeit heraus, eine neue Unterkunft zu finden, habe man auch die Konzeption geändert. Es sollte ein Treffpunkt für Menschen jeden Alters, aus unterschiedlichen Nationalitäten, Kulturen und sozialen Milieus werden. „Wir wollten eine frische, offene, einladende Atmosphäre schaffen, in der sich die Menschen willkommen und angenommen fühlen“, sagt Riedel. „Wir haben sie als Kunden betrachtet und sie auch entsprechend behandelt.“

 

500 Kunden gab es früher

 

Zunächst habe der Treffpunkt in einem prekären Umfeld gestanden. Denn im Hintergrund haben bis vor drei Jahren bunte Hochhäuser gestanden, in die der Investor nicht mehr investiert habe, sagt Riedel. Im Zuge des innerstädtischen Umbaus sind die Gebäude abgerissen worden. Der Cari-Treff befindet sich nach einer dreijährigen Umbauzeit auf einem neu gestalteten Platz. Zuvor haben 500 Kunden in der Woche das Zentrum aufgesucht. Diese Zahl habe man seitdem noch nicht wieder erreicht, meint Riedel.

Im Zentrum des Treffs stehe der Austausch. „Sich unterhalten zu können, ist doch wichtig“, meint Marion König, die mittlerweile ihren Rundgang durch den Laden beendet hat und sich davor auf einen der freien Stühle setzt. Durch den Laden zu streifen sei ja gut und schön. Wenn sie eine schöne, preiswerte Jacke oder Hose entdecke, nehme sie diese gerne mit. Aber anschließend eine Tasse Kaffee zu trinken und mit anderen ins Gespräch zu kommen, war für sie bis zur Schließung des Treffpunktes wegen Corona der Höhepunkt des Besuches. Dass immer noch nicht möglich ist, findet sie schade.

 

Ehrenamtliche Fachberater

 

Riedel nickt bestätigend. Der Cari-Treff sollte ein Anlaufpunkt sein, um sich neben dem Kauf von preiswerten Kleidungsstücken auch über Wohngeld, allgemeine Sozialberatung, Seniorenberatung, Migrations- oder Flüchtlingshilfe oder über Angebote bei psychischer Erkrankung zu informieren.  An der Cafétheke traf man ehrenamtliche „Reparatur-Experten“ wie Elektriker, Fahrradmechaniker, Schneider oder IT-Experten. „Es sind die kurzen Wege, die hilfreich sind. Wir kennen die Fachberater beim Caritasverband und ziehen sie hinzu“, erläutert Riedel.

Er hat durch Gespräche erfahren, dass das Fehlen der Gespräche für viele ein Problem war. „Menschen aus vielen Kreisen, Syrer wie Albaner, Afghanen oder Deutsche, sie alle haben den Austausch gesucht. Wir merken jetzt, wie kostbar für die Kunden das gemeinsame Gespräch ist“, sagt er. Mit zahlreichen Personen habe er telefonisch den Kontakt gepflegt, und zu hören, wie es ihnen geht, wie er helfen kann.

Es wird noch dauern, bis der Treffpunkt alle Angebote wieder ermöglichen kann. Und wenn dann die Sonne scheint und Stühle und Bänke mit Sicherheitsabstand und unter Beachtung der Hygienebestimmungen zum Austausch einladen, freut sich nicht nur Thomas Riedel.

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