Teil 5: Norbert Schmidt / Tschechien

„Ich lasse mich gern von einem Wunder bei der Weltsynode überraschen“

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Was denkt die Weltkirche über die Weltsynode? Kirche-und-Leben.de hat Menschen rund um den Globus gefragt – über die Meinung im Land und ihre eigene. Und welche Rolle der Synodale Weg in Deutschland spielen könnte. Teil 5: Norbert Schmidt aus Tschechien.

Wenn Sie fragen, was die Kirche in unserem Land von der Weltsynode erwartet, zögere ich sofort, eine allgemeine Antwort zu formulieren. Denn die katholische Kirche in der Tschechischen Republik ist tief gespalten.

Vor 30 Jahren, zu Beginn der 1990er Jahre, faszinierte mich an der katholischen Kirche ihre globale Dimension, die über kleine lokale Teiche hinausgeht, ihre großzügige Fähigkeit, mit Vielfalt umzugehen, die wesentliche Pluralität der manchmal so widersprüchlichen innerkirchlichen Traditionen. Außerdem hat mich die Kirche durch ihre kulturelle Tiefe über die Jahrhunderte hinweg bezaubert.

Kirche war für Freiheit engagiert

Das Engagement der Kirche für Freiheit und Demokratie war für mich durch viele Zeugen, die die kommunistische Verfolgung ehrenhaft bestanden, existenziell untermauert. Die Erfahrung des Gefängnisses und des Lebens unter ständigem Druck – zusammen mit anderen, die ebenso betroffen waren, am Rande der damaligen totalitären Gesellschaft – ließ die Kirche nicht nur mir als absolut unfürstlich und bescheiden erscheinen. 

Es war nicht schwer, mit einem Bischof persönlich zu reden. Priester und Ordensleute waren Freunde, nicht irgendwelche Oberschicht-Christen. Freundschaft, Demut, Zuhören waren keine leeren, manipulativen Worte. Hin und wieder gab es einen katholischen Spinner, der von einem katholischen Ständestaat träumte, aber das schien mir eine (fast niedliche) Anomalie zu sein, die das vorherrschende positive Bild der universellen Weltkirche, die fest auf der Seite der Demokratie und der Freiheit stand, bestätigte.

Das Fenster zur Welt

Meine damalige Sichtweise hatte ihren konkreten Sitz im Leben in der Prager akademischen Kirchengemeinde und dem dortigen Kreis um Tomáš Halík. Er integrierte das Beste der vorherigen Tradition der tschechischen katholischen Dissidenten (Antonín Mandl, Jiří Němec, Jiří Reinsberg, Josef Zvěřina, Oto Mádr, Růžena Vacková, Jan Sokol, um nur einige zu nennen). Die Salvatorkirche war für mich ein Fenster zur Welt, aber auch ein Ort der aktiven Zivilgesellschaft. Ich kannte aber auch andere ähnliche Milieus. Auch bei den Benediktinern in Prag und später im Kreis der Revue Salve der Dominikaner und in so mancher Landpfarrei standen die Freude und die Großzügigkeit eines „nicht nur, aber auch“–Katholizismus (Josef Zvěřina) im Vordergrund.

So erschien es mir damals. Habe ich mich geirrt?

Kirche ist dick und schwerfällig geworden

Der Autor:
Norbert Schmidt (* 1975) ist Architekt und Redakteur der theologischen Fachzeitschrift Salve.

Die Situation heute: Das Ansehen der Kirche als Institution, die die Freiheit verteidigt, ist dahin, der freudige Charakter des Glaubens und seine existenzielle Verankerung sind auch verflogen. Die tschechische Kirche als Institution ist dick und schwerfällig geworden, sie verteidigt eine Art Status quo einer idealisierten Vergangenheit. Und wenn jemand eine andere Meinung äußert, schickt sie Anwälte. 

Die Oberhand gewann ein enger bürokratischer Identitätskatholizismus und eine nach außen hin pompöse Besetzung des öffentlichen Raums durch Veranstaltungen mit folkloristischem Charakter (Fest zu Ehren des heiligen Johannes von Nepomuk mit dem Namen Navalis, ein Touristenspektakel an der Karlsbrücke; Feierlichkeiten rund um die neue Mariensäule im Zentrum von Prag, die gegen den Willen der evangelischen Christen und vieler Katholiken neu gebaut wurden; die nationale Wallfahrt in Stará Boleslav mit der Ankunft des Schädels des heiligen Wenzel in der Präsidentenlimousine und in Begleitung der Burgwache usw.).

Kirche mit vielen Gesichtern

Ein großer Teil des Episkopats und ein bedeutender Teil der Gläubigen, darunter auch junge Priester, haben eine neotraditionalistische und nationalistische Richtung eingeschlagen, die lautstark markiert, was katholisch ist – und was nicht mehr. Der neue Hauptfeind: „der verdorbene Westen voller neomarxistischer Gender-Ideologie“. Feudales Verhalten einiger Bischöfe, Abneigung gegen das Pontifikat von Papst Franziskus, Verharmlosung von sexuellem und geistlichem Missbrauch, undurchsichtiger Umgang mit teilweise zurückgegebenem Eigentum und die Sympathie für populistische Politiker gehören dazu, was viele Gläubige enttäuscht, einen großen Teil der Nicht-Gläubigen abstößt und gleichzeitig unerwartet seltsame, unterschiedlich frustrierte Gruppen in der Gesellschaft anzieht, die mit Themen wie Impfgegnerschaft, Verschwörungsbewegungen, Furcht vor Migration und so weiter verbunden sind.

Glücklicherweise ist dies nicht das einzige Gesicht der katholischen Kirche in der Tschechischen Republik; es gibt noch viele völlig gegensätzliche Initiativen und lebendige Pfarreien, für die die Worte „Westen“ und „liberale Demokratie“ nicht mit dem Bösen gleichzusetzend sind. Tomáš Halík und Bischof Václav Malý stehen nicht mehr alleine als Garanten eines offenen Katholizismus da. Eine Reihe von jüngeren, freien und mutigen Frauen und Männern ist herangewachsen, die als Katholiken in die öffentliche Debatte eintreten.

Züge eines inneren Schismas?

Diese grob skizzierte Konstellation zeigt jedoch, wie mir scheint, viele Züge einer Art tatsächlichen inneren Schismas. Und ich würde den Streit nicht als einen ewigen Kampf zwischen progressiven und konservativen Kräften definieren; denn die Hüter des Feuers und die Jäger waren schon immer zusammen unverzichtbare Mitglieder einer funktionierenden Gemeinschaft.

Der Stein des Anstoßes ist die Pluralität des katholischen Glaubens selbst. Seine eigentliche Katholizität, seine Universalität. Denn es sind nicht subtile Unterschiede in der Gewichtung, die sich gegenüberstehen, sondern konträre Auffassungen von der Kirche und ihrem Handeln in der Welt. Was soll man tun, wenn es sogar klerofaschistische Rückfälle gibt und ein Liebäugeln mit dem Autoritarismus (eines Orbán, aber auch eines Putin), von denen ich dachte, dass sie in der Geschichte längst verschwunden sind?

Vielleicht kann die Weltsynode überraschen

Wenn Sie nach der tschechischen Wahrnehmung des deutschen Synodalen Weges fragen, möchte ich nur eine vor kurzem getätigte öffentliche Äußerung des ehemaligen Primas Kardinal Duka erwähnen, der, obwohl emeritiert, immer noch die „Kirchenpolitik“ der tschechischen Bischofskonferenz bestimmt. Der massive Exodus der Gläubigen aus der deutschen katholischen Kirche soll nach seiner Auffassung zeigen, „dass es eine wachsende Opposition sowohl gegen das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (auf Tschechisch: „centrální ÚV“) als auch gegen den Episkopat gibt, der nicht auf der Linie der römisch-katholischen Kirche liegt.“ Duka verwendet die Abkürzung „ÚV“, die zu Zeiten der sozialistischen Tschechoslowakei eine Bezeichnung für das „Zentralkomitee“ („Ústřední výbor“) – das „führende Organ“ der kommunistischen Partei war.

Sehe ich die heutige Situation zu schwarz? Vielleicht.

Aufzurütteln, neu zu mischen, die ganze vielfältige globale Gemeinschaft der Kirche in Bewegung zu setzen, sich auf eine Reise zu begeben, sich nicht endlos auf Sex und innerkirchliche Probleme zu fixieren, sondern den Menschen um uns herum zuzuhören und zu helfen, sich auf die großen Probleme von heute unseres Planeten zu konzentrieren. So verstehe ich, verkürzt zusammengefasst, die Bemühungen von Papst Franziskus und finde sie sympathisch. Vielleicht wird gerade aus dieser Bewegung etwas Neues entstehen. Dennoch verbinde ich mit der Weltsynode keine tiefe persönliche Hoffnung. Aber ich lasse mich gerne positiv überraschen von etwas, das meine Vorstellungskraft übersteigt.

Nennen wir es zum Beispiel ein Wunder.

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