Wissenschaftler: Diakoninnen sind bestens belegt

Wie Frauen in der Kirche tauften, lehrten – und geweiht wurden?

  • Bei einer Tagung sind sich Wissenschaftler einig: Es gab Diakoninnen in der katholischen Kirche.
  • Sogar ein Weihegebet mit Handauflegung ist überliefert.
  • „Die Wissenschaft hat ihre Arbeit getan. Offenbar tut man sich schwer mit der Bewertung des Befunds.“

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Die Frauenfrage in der katholischen Kirche bleibt virulent – auch 36 Jahre, nachdem Johannes Paul II. die Unmöglichkeit ihrer Priesterweihe als definitiv deklariert hat und beide Nachfolger die Linie bestätigten. Beim Diakonat scheint indes die Tür einen Spaltbreit offen, nachdem Papst Franziskus zum zweiten Mal nach 2016 eine Expertenkommission dazu eingesetzt hat.

Wo aber gibt es überhaupt noch offene Themen für die Forschung? Die Frage drängt sich nach einer Tagung der Katholischen Akademie Bayern auf. Die Vortragenden beschieden, historisch sei alles geklärt. „Die Wissenschaft hat ihre Arbeit getan, vor allem die Kirchenhistoriker“, resümierte die Mainzer Patrologin Heike Grieser. „Offenbar tut man sich schwer mit der Bewertung des Befunds.“

 

Es gab sogar ein Weihegebet mit Handauflegung

 

Wie Grieser anhand von Grabinschriften, Kirchenordnungen, Konzilsbeschlüssen, der Gesetzgebung der römischen Kaiser und anderer Texte darlegte, ist die Existenz von Diakoninnen seit dem dritten Jahrhundert bestens belegt. Sie waren offenbar im Osten stärker verbreitet als im Westen, wo sich Widerstände gegen ihre Tätigkeit regten. Im Westen tauchen sie im Mittelalter nur noch im klösterlichen Kontext vereinzelt auf.

Die Apostolischen Konstitutionen (um 380) enthalten sogar ein Weihegebet mit Handauflegung durch den Bischof. Andernorts zählten Diakoninnen zu den Laien. Diakoninnen waren Jungfrauen oder Witwen, die nicht erneut heirateten. Sie kümmerten sich um Reisende, assistierten, auch aus Schicklichkeitsgründen, bei der Taufe von Frauen, indem sie die nackten Aspirantinnen salbten. Sie waren als Platzanweiserinnen tätig und verrichteten Botengänge für den Bischof.

 

Eine Frau schaffte es in den Vatikan

 

Eine von ihnen hat es in den Vatikan geschafft: Olympias, eine vermögende Witwe in Konstantinopel, schmückt als Figur heute die Bernini-Kolonnaden auf dem Petersplatz, als siebte von rechts. Grieser findet das „schon etwas kurios“.

Historisch gesehen erscheinen Diakoninnen allerdings im Zug der Ämterentwicklung als eine Domestizierung weiblicher Aktivitäten in der Antike. Sie treten mehr und mehr an die Stelle von Witwen und Jungfrauen, die bis zum vierten Jahrhundert als selbstständige Seelsorgerinnen bezeugt sind, wie die Kieler Neutestamentlerin Christiane Zimmermann ausführte. Es gibt Witwen, die lehren, taufen, sich der Bedürftigen annehmen – und von der Gemeinde unterhalten werden.

 

Befugnisse von Frauen wurden „radikal beschnitten“

 

Allerdings wächst ihre Gruppe so stark, dass die Gemeinden bald vor Versorgungsproblemen stehen und den Zugang zu diesem Stand regulieren. Witwen, sagt der Bonner Kirchenhistoriker Georg Schöllgen, waren „gestandene Christinnen“, so etwas wie „die weibliche Elite unter den Frauen“ der Alten Kirche. Sie gaben Auskunft über schwierigste theologische Fragen und begleiteten Büßer während der Exkommunikation seelsorglich bis zur Wiedereingliederung in die kirchliche Gemeinschaft.

Über Jahrzehnte hätten diese Standeswitwen in den Gemeinden „deutlich mehr Einfluss“ gehabt als der damals noch nicht professionalisierte Klerus, so Schöllgen. Bis den Frauen mit Beginn des dritten Jahrhunderts als einzige Aufgabe neu zugewiesen wird, zuhause zu beten, etwa in der Kirchenordnung der syrischen Didaskalie (um 230). „So radikal wurden Befugnisse einer kirchlichen Gruppe noch nie beschnitten“, sagt der Wissenschaftler.

 

„Man dürfte heute mehr wagen“

 

Es gab also seelsorglich tätige Frauen in der Alten Kirche – und es gab ihre Ablehnung. Schon ihren Anfängen bewies die Kirche Kreativität im Umgang mit Organisationsproblemen: Neue Ämter bildeten sich heraus, alte wurden abgeschafft, jeweils in Anpassung an die soziokulturelle Situation.

Was folgt daraus für die aktuelle Debatte? Grieser sagt: „Man dürfte mutiger sein in dem, was man viele Jahrhunderte später wagt.“

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