Anzeige
In der Karwoche gedenken Christen des Leidens, Sterbens und der Auferstehung Jesu. Die Bibel erzählt das Geschehen und deutet es zugleich. Aber was ist damals wirklich geschehen? Antworten von Bibel-Experte Thomas Söding aus Münster. Im fünften Teil geht es um Ostersonntag, den Tag, an dem Jesus von den Toten erstanden ist. Aber wie genau muss man sich die Auferstehung vorstellen? Lebt Jesus einfach wieder so wie vorher? War er ein Anderer? Das neue Testament berichtet davon in den Evangelien: Mt 28,1-10, Mk 16,1-20, Lk 24,1-53, Joh 20,1-21,23.
Jetzt mal im Ernst, Professor Söding: Hat Jesus echt wieder gelebt? Mit Hunger, Puls und Atem?
Durch die Auferweckung tritt Jesus nicht wieder in sein irdisches Leben ein. Dann müsste er wieder gestorben sein. Die Auferstehung Jesu ist nicht so wie die der Tochter das Synagogenvorstehers Jaïrus, des Jünglings von Naïn oder des Lazarus. Sie alle kehren in ihr bisheriges Leben zurück. Sie alle müssen wieder sterben.
Nicht so Jesus: Seine Auferstehung führt ihn nicht wieder auf die Erde, sondern in den Himmel, wie es im Weltbild der Bibel heißt: „zur Rechten Gottes, des Vaters“, das heißt: mitten in das Geheimnis Gottes selbst hinein, sodass er nun in der Macht Gottes wirken kann – in aller Welt.
Erinnerungen, Visionen, Worte
Wie aber soll die Auferstehung Jesu seinen Jüngern bekannt werden? Wie soll Jesus als Auferstandener er selbst bleiben, wenn er nicht in Beziehung zu den Menschen tritt, angefangen bei den Frauen und Männern, die ihm schon zu Lebzeiten nachgefolgt sind, da er in Galiläa durch die Lande und nach Jerusalem gezogen ist?
Auf diese Frage antwortet das Neue Testament: mit Erinnerungen, die im Geheimnis des Glaubens selbst wurzeln, mit Visionen, die Grenzen zwischen Himmel und Erde durchlässig machen, mit kleinen und großen Worten, die aus der Bibel Israels abgelesen sind, beim brennenden Dornbusch, auf der Höhe des Sinai, in prophetischen Inspirationen. Er „erschien“ ist ein solches Wort.
Widersprüche und Überzeugungen
Der Aspekt liegt nicht darauf, dass die Jünger geschaut (und sich vielleicht nur eingebildet) haben, sondern darauf, dass Jesus in Erscheinung getreten ist: Er hat sich sehen lassen. Nicht, um zu demonstrieren, dass er Recht hatte. Sondern um seine Jüngerinnen und Jünger zu gewinnen, ihm zu glauben und in ihm Gott.
In den Osterevangelien werden diese Erscheinungen erzählerisch eingefangen. Von unterschiedlichen Seiten aus, nicht ohne produktive Widersprüche, aber gemeinsam mit der Überzeugung, dass Jesus selbst die Initiative ergriffen hat, dass sie an Gottes Sieg über den Tod glauben.
Weder Geist noch Gespenst, sondern einer, der isst
Wie aber soll man erzählen, was die Grenzen von Raum und Zeit überschreitet? Wie sollen Gotteserfahrungen überliefert werden, die schlechterdings unerklärlich sind? Die Antwort: so, wie die Evangelien es tun – nie, ohne den Zweifel der Menschen zu übergehen, die den Auferstandenen sehen, nie, ohne das Ringen um den Osterglauben zu überspringen, immer mit dem Wissen, dass schier unglaublich ist, was Jesus in Szene setzt: unglaublich gut.
Die Evangelien spielen mit der Körperlichkeit des Auferstandenen – weil ja nicht etwa nur ein Geist Jesu, sondern Jesus selbst von den Toten auferweckt worden ist. Nach Matthäus geht er auf die zweifelnden Jünger zu – und sendet sie in alle Welt. Nach Lukas isst er vor ihrer aller Augen Bratfisch, um ihnen die Furcht vor Gespenstern zu nehmen, da er mitten unter sie tritt und ihnen den Frieden wünscht. Nach Johannes spricht er Maria Magdalena – noch auf dem Weg zur Auferstehung – mit ihrem Namen an, tritt durch verschlossene Türen zu den Jüngern, haucht sie an und zeigt dem ungläubigen Thomas seine Wundmale, die er nach wie vor trägt, bevor er ihnen beim Fischfang ein weiteres Mal erscheint und mit ihnen Mahl hält.
Keine Spur von einem Foto
Immer halten die Erzählungen die Spannung aufrecht. Einem naiven Fotorealismus entziehen sie sich. Sie machen durch kleine Details, die bei manchen ein spöttisches Lächeln auslösen, mit traumwandlerischer Sicherheit deutlich, dass der Auferstandene wirklich Jesus, aber dass Jesus nun wirklich von den Toten auferstanden ist.
Die Osterevangelien sagen: In einer kurzen, aber schlechterdings entscheidenden Phase, die für alle Zeit reicht, ist es der Auferstandene selbst gewesen, der diese österlichen Begegnungen möglich gemacht hat.
Zur Person
Der Theologe Thomas Söding befasst sich als Professor an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum mit Themen neutestamentlicher Exegese und Theologie. Seine zentralen Forschungsgebiete liegen bei Markus, Paulus und Johannes. Söding ist Mitglied des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken und Teilnehmer des Synodalen Wegs. Er lebt in Münster.