Ticker aus der Synodal-Aula: Fehlende Bischofs-Mehrheit lässt Grundtext scheitern

So lief die Aussprache nach Eklat beim Synodalen Weg zu Sexual-Reform

  • Bei der Synodalversammlung haben die Bischöfe einer Reform der Sexualmoral die Zustimmung verweigert.
  • Bei der Abstimmung hatten zwar 82,1 Prozent aller Delegierten dafür gestimmt, die Gruppe der Bischöfe jedoch nur mit 61,1 Prozent.
  • Die Zweidrittelmehrheit wurde verfehlt, damit ist das gesamte Dokument abgelehnt.

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Paukenschlag bei der Synodalversammlung: Die Bischöfe haben einer Reform der Sexualmoral die Zustimmung verweigert. Bei der Abstimmung hatten zwar 82,1 Prozent aller Delegierten dafür gestimmt, die Gruppe der Bischöfe jedoch nur mit 61,1 Prozent - weniger als die notwendige Zweidrittelmehrheit. Damit ist das gesamte Dokument abgelehnt.

Die Sitzung wurde unterbrochen, es formierte sich spontaner Protest: "Wo sind die Hirten?", riefen mehrere Delegierte, darunter vor allem junge Delegierte, aber auch Ordensleute und Priester.

Nach der Unterbrechung ergriff Bischof Georg Bätzing das Wort: Das ist eine "krisenhafte Situation", im Raum sei "riesige Enttäuschung" zu spüren.

"Ich muss ehrlich sagen, ich bin auch persönlich enttäuscht über das Ergebnis dieser Abstimmung, das aber unserem Statut gemäß zustande gekommen ist. An der Gültigkeit gibt es keinen Zweifel. Meine Enttäuschung geht daher, dass ich in der Debatte nicht erkennen konnte, wie die Mehrheiten sein würden." Darauf gibt es Applaus.

"Das bedeutet für mich, die Übung von Synodalität ist noch nicht tief genug gedrungen. Diejenigen, die sehr kritische Einwände haben und ihrem Gewissen folgten, hatten offensichtlich nicht die Möglichkeit, sich entsprechend zu äußern. Die Debatte ließ diesen Schluss nicht zu. Das Ergebnis ist ein Ergebnis der deutschen Bischöfe. Der überragende Teil in der ersten Abstimmung der Gesamtversammlung haben dem Text zugestimmt, aber es hat nicht die Zweidrittelmehr der BIschöfe gegeben. Das ist eine Frage an uns Bischöfe. Wir haben mit der Leitung des entsprechenden Forums zusammengestanden. Auch dort wird das Ergebnis entgegengenommen, das ist ein Gebot der Fairness. Die Ablehnung bedeutet weitere Diskussion und Abstimmung über die Handlungstexte. Die Situation fordert alle. Meine Bitte: Bleiben wir jetzt in der Synodalversammlung zusammen. Jetzt ist der Moment, wo sie sich bewähren muss."

Irme Stetter-Karp: "Ich verhehle nicht, dass ich in meiner Verantwortung für das ZdK besonders enttäuscht bin - nicht primär wegen der anderen Meinung. Mich beschwert - und daraus kann ich nur eine Bitte formulieren: In der Debatte und über die Antragsbearbeitung gab es die Möglichkeit - wir wissen um die Sensibilität derer, die verletzt werden. Bischöfe tragen große Verantwortung. Aber jetzt sehen wir mehr Stimmen von den Bischöfen, die nicht ins Wort gebracht wurden. Vielleicht ist das eine Verweigerung. Wenn sich das beim Frauenpapier wiederholt, stehen wir vor einem Scherbenhaufen. Da wird auf Seiten der Laien gefragt: Wozu investieren wir derart viel Zeit? Wozu?" (Großer Applaus.)

"Wir alle, die wir tausende Stunden investiert haben" (ihr stehen die Tränen in den Augen, ihre Stimme bricht), "wir haben das alles für die Kirche getan. Sie spüren meine Emotion. Mir geht es nicht um Druck. Ich erwarte von den Bischöfen, dass sie mit ihrer Macht und Verantwortung offen zu ihrer Meinung stehen." (Großer Applaus.) "Sonst können wir uns große Worte über Synodalität sparen. Es fällt mir ungeheuer schwer, hehre Worte zu hören und dann Dialogverweigerung zu spüren."

Bätzing: "Wir brauchen jetzt eine Aussprache. Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen."

Bischof Helmut Dieser (Aachen), Leiter des Forums: "Jeder hat eine Verantwortung, auch wir Bischöfe. Die üben wir auch aus in unserem Abstimmungsverhalten. Natürlich bin ich enttäuscht. Wir haben so viele Erwartungen daran, dass die Kirche frohen Herzens weitergehen kann und neue Dinge zu sagen lernt, ohne Christus zu verraten oder Angst haben zu müssen, dass die Tradition nicht weitergeht. Ich weiß nicht, wie ich all den Enttäuschten noch gegenübertreten kann als Bischof. Wie ich werben kann, Mut machen kann. Wo ist das Leuchten, wenn gesagt wurde, wir würden einen Bruch mit dem bisherigen Menschenbild leisten? Wo leuchtet das bisherige Menschenbild noch? Können wir so ins 21. Jahrhundert mit einer säkularen, liberalen Gesellschaft gehen? Ich weiß nicht, wie ich so als Kirche über Sexualität reden kann. Wir haben das Evangelium zu bezeugen. Es darf nicht geschehen, dass die Verkündigung der Kirche mutlos wird oder ins Schweigen geht, weil wir Angst hätten vor den Bindekräften der Tradition. Tradition darf uns nicht fesseln, sondern muss uns stark machen. Aussagen, dass sich jemand überhaupt nicht ändern will, dazulernen will, helfen überhaupt nicht weiter."

Birgit Mock, ebenfalls Vorsitzende des Forums: "Ich bin fassungslos. Ich habe an ein anderes Abstimmungsergebnis geglaubt. Dafür sind wir angetreten. Das Ergebnis akzeptiere ich. Man kann vieles tun, am Ende muss man nur mit den Konsequenzen leben. Das gilt nicht nur für die, die mit Nein gestimmt haben, sondern auch alle anderen. Das bereitet mir mehr als Kummer. Ich halte es für eine Katastrophe. Wie sollen wir das Evangelium so verkünden, dass wir das, was wir an positiven Werten weitersagen wollen, so sagen, dass es trägt, dass es ankommt, dass es mit der Realität der Menschen zu tun hat? Ich weiß auch nicht, was ich meinen Kindern sagen soll."

Die Aussprache wird eröffnet.

Kardinal Reinhard Marx (München): "Die Methode der Zweidrittelmehrheit war in Rom wichtig. Meine Hoffnung war, dass das nicht zu einer geschlossenen Kammer wird, wo man sagt: Am Ende bestimmen wir, und was ihr hier sagt, ist meine Sache nicht. Ich habe das Gefühl, dass das so ist. Synodalität heißt: Wir machen uns auf einen Weg. Ich möchte die Forums-Verantwortlichen fragen: Wie viele Bischöfe haben sich dort beteiligt? WIe viele haben sich da Stunden hingesetzt und sich beteiligt, sich auch eingelassen, obwohl sie anderer Meinung waren? Dies hier ist kein Synodaler Weg. Rückblickend muss ich sagen: Ist das wirklich ein synodales Hören gewesen oder haben sich Positionen überhaupt verändert? Ich bin sehr enttäuscht. Die Bischöfe sollen öffentlich ihre Entscheidung begründen.

Schwester Katharina Kluitmann: Es kann doch nicht sein, dass wir Gläubigen dauernd bei den Bischöfen bleiben müssen - und die bleiben nicht mehr bei uns!

Schwester Philippa Rath OSB: Ich schließe mich Schwester Katharina ausdrücklich an. Ich bin enttäuscht, aber auch ernüchtert. Ich fürchte, dass die Spaltung zwiwschen BIschöfen und Gläubigen sich weiter vertieft. Dass diejenigen, die Nein gesagt haben, weiter an Autorität und Glaubwürdigkeit verlieren werden und sich viele Menschen aus dem Kern unserer Kirche abwenden, weil sie sich nicht verstanden fühlen und weil die Bischöfe nicht mehr bei ihnen sind.

Gregor Podschun, BDKJ: Ich halte es schwer aus, hier zu sitzen und hoffe, den richtigen Ton zu treffen. Fast 90 Prozent hier im Raum haben dem Text zugestimmt, das ist ganz großartig. Die Bischofskonferenz hat abgelehnt. Das ist ein Text, der in seiner Essenz von Missbrauch, Machtmissbrauch und Sexualität spricht. War alles nur Gerede und nicht eine Rede für Veränderung? Menschen bringen sich um wegen der Haltung der Kirche. Sie hat dazu beigetragen, dass die Person beim CSD in Münster umgebracht wurde, weil unsere Gesellschaft diese Morallehre mitgestützt hat. Die Bischofskonferenz war nicht in der Lage, das zu verhindern - und das wird weiterhin möglich sein. Ich frage mich, wie die ablehnenden Personen das mit ihrem Gewissen vereinbaren können.

Pfarrer Werner Otto: Die Bischöfe, die sich nicht geäußert haben und dann mit Nein gestimmt haben, sodass wir nicht einmal die Chance auf eine neue Lesung hatten - das ist zutiefst unsolidarisch, schlichtweg feige. Wenn sie dieses Mindestmaß an Synodalität nicht zustande bringen, möchte ich mich mit ihnen eigentlich auch nicht mehr auseinandersetzen. Ich erwarte eine öffentliche Positionierung der Bischöfe.

Konstantin Bischoff: Es muss unbedingt weitergehen! Wir dürfen jetzt nicht abreisen! Wir lernen, wie Synodalität schief gehen und Menschen verletzen kann. Wir haben eine tiefe Krise. Wir haben einen von den Bischöfen abgelehnten Text. Wenn wir jetzt aufhören, geben wir Bischöfen eine Macht, die sie nicht mehr haben. Bischöfe können offenbar nicht mehr für die Nicht-Bischöfe  in unserem Land sprechen. Lieber Herr Bätzing, ich bitte Sie, eine Bischofskonferenz einzuberufen. Schlaf wird überbewertet.

HINWEIS: Wir bemühen uns, quasi live mitzuschreiben und parallel mitzuhören. Rechtschreibfehler bitten wir zu entschuldigen - ebenso, dass nicht alle Redebeiträge dokumentiert werden können.

Stefan Buttgereit: Ich bin auch enttäuscht, aber ich bleibe hier. Ich danke der Mehrheit der Bischöfe, die zugestimmt haben. Man wird später feststellen: Eine Minderheit der Bischöfe hat aus der Lehre der Kirche eine Leere in der Kirche gemacht.

Hubertus Lürbke: Diese Entscheidung verstärkt die Spaltung, vor der Sie sich so fürchten.

BEOBACHTUNG: Bis zum jetzigen Zeitpunkt haben neben Georg Bätzing, Helmut Dieser und Reinhard Marx noch keine weiteren der 62 anwesenden Bischöfe gesprochen.

Ulrich Hemel, BKU: Wir vertun hier nicht unsere Zeit, ich glaube an den Heiligen Geist. Der Text hat auch die Mehrheit der Bischöfe gefunden. Wir sind in einem großen Such- und Lernprozess. Darin müssen wir lernen, mit Bischöfen umzugehen, die eine andere Auffassung haben und uns zeigen, wie die Führungskrise aussehen kann, aber nicht aussehen darf. Jesus ist vorbehaltlos auf die Menschen zugegangen, machen wir es ihm nach.

Katharina Norpoth: Ich kann meine Enttäuschung kaum in Worte fassen. Ich frage mich nur: Warum? Ich brauche eine Erklärung, damit ich das begreifen kann. Es fällt mir schwer, Optimismus beizubehalten, aber ich will meine Hoffnung nicht aufgeben, dass sich die Kirche verändern kann. Aber das kostet wahnsinnig viel Kraft.

Thomas Söding: Das ZdK ist von der BIschofskonferenz gebeten worden, sich an einem solchen synodalen Prozess zu beteiligen. Die Erwartung war, dass offen gesprochen, diskutiert und Lösungen gefunden werden. Diese Hoffnung ist bitter enttäuscht worden. Wir haben es geschafft, bei einem wichtigen Thema mit 81 Prozent eine Alternative zu formulieren. Aber wir haben es nicht geschafft, die erforderliche Mehrheit der Bischöfe auf unsere Seite zu ziehen. Das ist ein riesiges Problem. Das erfordert eine völlig andere Kommunikation auf Seiten der Bischöfe. Wir brauchen BIschöfe, die ihre Leitungsaufgabe wahrnehmen, und nicht Bischöfe, die zerstören, was nach vorn führt.

Stefan Vesper: 82 Prozent waren dafür, 61 Prozent der Bischöfe. Das ist die Mehrheit. Wir müssen an den Handlungstexten weiterarbeiten. Ich möchte sehen, wie es weitergeht. Ich möchte es vom Ende her beurteilen.

Erzbischof Heiner Koch (Berlin): Es ist nicht das Problem, dass ein Text abgelehnt wurde. Aber dass es dieser Text ist. Ich frage mich, warum er abgelehnt wurde. Ich danke den Forumsmitgliedern, die sehr rücksichtsvoll mit den Beratungen umgegangen sind. Aber es ist deutlich: Es gibt Mitbrüder, die grundsätzlich nicht mitgehen können. Der Text ist auch deshalb so schwierig, weil es um Personen geht. Ich weiß nicht, wie ich das in Berlin vermitteln soll. Es geht ja um Menschen. Ich weiß nicht, wie ich das vermitteln soll. Wir sind als Bischofskonferenz gefordert. Wir müssen uns aussprechen, ehrlich und offen.

Gregor Maria Hoff: Ich habe einen hohen Respekt vor den Bischöfen, die auch aus einer Minderheitensituation hier ihre Meinung geäußert haben. Aber mehr als Zweidrittel der Bischöfe hatten ursprünglich zugestimmt. Auf dieser Basis ist der Text heute in die Abstimmung gegangen. Die Bischöfe, die sich nicht geäußert haben, müssen sich fragen: Was heißt das eigentlich für meine Mitbrüder? Das ist eine eigene Form von apostolischem Machtmissbrauch.

Gudrun Lux: Es sind längst Menschen hier aus der Synodalaula gegangen, es sind Menschen hier zusammengebrochen. Weil sie es nicht mehr aushalten. Wir sind nicht mehr beisammen. Kirche muss für Menschen da sein. Ich möchte einen Verfahrensvorschlag machen: Ich möchte, dass wir künftig zu namentlichen Abstimmungen übergeben.

Brigitte Lehmann, Vorsitzende des Diözesankomitees der Katholiken im Bistum Münster: Jetzt erst recht! Wir müssen das Beste daraus machen, das habe ich gerade auch Bischof Genn gesagt. Wir sind die Kirche. Wir müssen so leben können, wie wir es mehrheitlich abgestimmt haben.

Bischof Bätzing zum weiteren Vorgehen aus der Sicht der Bischöfe: Die Bischöfe kommen bitte anschließend im Raum namens "Spektrum" zusammen zu einer Phase der Besprechung.

Irme Stetter-Karp: Die ZdK-Delegierten versammeln sich auch unter sich. Wenn die Priester, die nicht Bischöfe sind, bei uns sein wollen - herzlich gern.

Bischof Stefan Oster (Passau): Ich will nicht, dass wir auseinandergehen. Ich bin nicht an Macht interessiert, das möchte ich mir nicht unterstellen lassen. Ich habe mein Leben als 30-Jähriger verändert und bin in einen Orden eingetreten. Ich kann die Lehre der Kirche bejahen und rechtfertigen und glauben, dass sie heilsdienlich ist. Ich weiß, dass mehr als 95 Prozent ihre Not haben, das zu akzeptieren. Und doch glaube ich, dass, wenn wir ins Gespräch kommen, wir die Lehre der Kirche so darstellen, dass sie schön ist. Ich lasse mir nicht unterstellen, dass ich nichts gelernt habe. Ich will mir nicht sagen lassen, dass meine Position ja bekannt sei, wir eine menschenfeindliche Kirche befördern. Ich fühle mich nicht weit weg von den Menschen. Warum Bischöfe nicht den Mund aufgemacht haben, dann vielleicht, weil wir wissen, welcher Druck auf ihnen lastet.

Andreas Lob-Hüdepohl: Ich bin enttäuscht, aber nicht überrascht.

(Hinweis: Die Aussprachen im Anschluss innerhalb der Bischofskonferenz und innerhalb des ZdK werden ohne Teilnahme der Presse erfolgen.)

Bischof Franz-Josef Overbeck (Essen): Krisen sind Einladungen, die Wirklichkeit anzunehmen. Wir brauchen mehr Raum für Argumente. Wir sollen es annehmen von Gott her: Unterscheidet die Geister. Wir Bischöfe sind uns auch nicht einig, aber das kann uns Kraft geben. Wir dürfen nicht nachlassen, Synodalität zu üben. Nur so kommen wir in unserer postmodernen Gesellschaft weiter.

Bischof Peter Kohlgraf (Mainz): Es gibt auch enttäuschte Bischöfe. Ich sorge mich echt um die zarten Pflänzchen, die auch in meinem Bistum im Sinn dieses Papiers gewachsen sind. Das werden wir weiter machen.

Eberhard Tiefensee: Der Synodale Weg ist gescheitert. Wir können unmöglich über die Handlungstexte abstimmen.

Bischof Michael Gerber (Fulda): Ich möchte nicht ausschließen, dass auch in dem einen oder anderen Bischof jetzt noch etwas passiert. Das kann nicht unser letztes Wort als Bischöfe sein. Ich begrüße sehr, dass wir gleich zusammenkommen werden. Es braucht von uns Bischöfen eine Botschaft, auch um der verletzten Seelen vieler willen.

Matthias Sellmann: Der Synodale Weg sollte Menschen in den Mittelpunkt stellen, die Betroffene sexuellen Missbrauchs sind. Ich stelle fest, dass genau diese Personen nicht mehr hier sind. Damit hat der Synodale Weg seine wichtigste Grundlage verloren. An die Bischöfe: Ihr Amt verpflichtet sie, Stimme und Einheit derer zu sein, die Sie repräsentieren. Sie sitzen hier nicht als Privatperson.

Johannes Norpoth, Sprecher des Betroffenenbeirats der Deutschen Bischofskonferenz: Willkommen in der Welt der Betroffenen! Diese Synodalversammlung hat mit dieser Abstimmung eine Erfahrung gemacht, die Betroffene ganz viel machen. Es wurde nicht über Argumente geredet. Bischof Oster kämpft immerhin mit offenem Visier und nicht nur mit dem Abstimmungsgerät. Reden Sie! Insbesondere die Bischöfe, die meinen, sie würden mit ihrer traditionellen Argumentationsrichtung hier nicht gehört. Nehmen Sie die Erfahrung mit, gleich in den Saal! Wir alle anderen sollten uns auf den Weg machen, alle - auch rechts und links. Denn diese Synodalversammlung kommt aus der Missbrauchskrise und nicht aus diversen kirchenpolitischen Themen. Sie haben eine Aufgabe hier - nämlich die Missbrauchskrise zu überwinden. Dafür sind Sie hier. Gehen Sie diesen Weg zu Ende, auch wenn die Hürde jetzt noch ein bisschen höher ist.

Bischof Bertram Meier (Augsburg): Auch ich fühle mich vielleicht nicht unwohl, aber mitten in einem Konflikt. Mut zum Konflikt! Wir haben die Themen gesetzt - dieses Papier landet nicht im Papierkorb. Er wird auch in Rom und in der Weltkirche beachtet, auch wenn das Abstimmungsergebnis ist, wie es ist. Ich nehme diese Versammlung sehr an. Ich spreche als Bischof, nicht nur als Privatperson. Ich habe eine Portion des Volkes Gottes im Bistum Augsburg hinter mir, von denen nicht alle hinter dem Synodalen Weg stehen und die damit drohen, aus der Kirche auszutreten. Ich finde das hier bedauerlich, aber auch sehr interessant.

Esther Göbel: Sie sollten sich unwohl fühlen, Bischof Meier! Das hat Mara Klein in der ersten Sitzung des Synodalen Wegs schon gesagt. Sie sitzt eigentlich vor mir, aber sie ist jetzt nicht mehr hier. Das hier ist Verantwortungsverweigerung.

Bischof Gregor Maria Hanke (Eichstätt): Ich habe dagegen gestimmt und bin froh, jetzt sprechen zu können. Es ist nicht immer gelungen, auf die Rednerliste zu kommen. Ich habe vieles gelernt. Die Enttäuschung, die jetzt auf uns liegt, und die Atmosphäre, die uns belastet, lässt mich fragen: Sollte in Deutschland, in deutschen Diözesen, die Lehre verändert werden? Die Nein-Stimmen sind nicht nur der persönlichen Überzeugung geschuldet, sondern haben mit der noch geltenden kirchlichen Lehre zu tun. Ich möchte nicht diskriminieren, wie das pauschal gegenüber der kirchlichen Sexuallehre behauptet wird. Ich möchte auch das System des Synodalen Wegs anfragen. Die Foren haben sehr intensiv und fleißig gearbeitet. Aber wir hatten hier im Plenum nie Zeit, uns darüber auszutauschen, Probeabstimmungen vorzunehmen. Beim letzten Mal war das ein Gewitter, das über uns Bischöfe niederging.

Weihbischof Rolf Steinhäuser (Köln): Ich oute mich als einer, der dagegen gestimmt hat. Das habe ich nicht mit anderen abgestimmt, es gab keinen Verschworenenkreis, die das kippen lassen wollten. Wenn Sie fragen, wovor ich Angst habe, sage ich: Genau vor dieser Situation habe ich seit Monaten Angst. Mich hier mit einer Meinung zu positionieren, die vielleicht nicht immer auf dem letzten theologischen oder philosophischen Stand ist - so ganz anders ist das in der Bischofskonferenz auch nicht. Ich hatte immer den Eindruck: Wir sind massiert worden, das nur nicht scheitern zu lassen. Ich habe es auf das Scheitern nicht angelegt. Ich bin über das Ergebnis sehr überrascht.  Ich halte das nicht aus, so unter Druck zu sein.

Weihbischof Ansgar Puff (Köln): Ich hatte den Antrag gestellt, den Text in Abschnitten abzustimmen. Das war nicht möglich. Daher habe ich sowohl in der ersten als auch jetzt in der zweiten Lesung dagegen gestimmt. Ich habe mich weitergebildet, aber ich kann das nicht mittragen. Eine Erkenntnis aus dem Desaster: Wäre es nicht klug, in Abschnitten abzustimmen?

Lukas Nusser: Wir fahren gerade den Karren vor die Wand. Hier führt sich gerade das System selber vor. Unsere Instagram-Kanäle werden gerade geflutet von Menschen, die nicht für möglich halten, was hier gerade passiert ist.

Weihbischof Josef Holtkotte (Paderborn): Ich bin mit gemischten Gefühlen hierher gefahren, aber hoffnungsvoll. Ich bin jetzt enttäuscht, weil ich für diesen Text gestimmt habe. Diese Fragen stehen seit Jahrzehnten auf der Tagesordnung, und wir hätten heute einen guten, richtigen Schritt gehen können. Ich frage mich: Was muss eigentlich getan werden, damit sich dieser Text entfalten kann?

20.30 Uhr. Die Aussprache endet. Bischöfe und ZdK gehen nun in getrennte Besprechungen. Zuvor gibt es einen Moment des Gebets - beginnend mit einer Vertonung des Klagepsalms 22 ("Mein Gott, warum hast du mich verlassen?), danach eine Essenspause. Die Vollversammlung wird heute nicht mehr zusammenkommen.

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