„Kirche-und-Leben.de“ fragt den Rechtsextremismus-Experten David Begrich

Aufstehen gegen Rechts: Das kann jede und jeder Einzelne tun

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Nach bekannt gewordenen Treffen von AfD-Funktionären mit Rechtsextremen mehren sich Rufe, die „schweigende Mehrheit“ solle gegen Rechts aufstehen. Aber was kann die oder der Einzelne überhaupt tun? Was bewirken Demos? Was bringen Diskussionen? „Kirche-und-Leben.de“ hat den Rechtsextremismus-Experten David Begrich vom Verein „Miteinander“ in Magdeburg gefragt.

Herr Begrich, Politiker und gesellschaftliche Akteure rufen verstärkt dazu auf, gegen AfD und Rechts aufzustehen. Was kann die oder der Einzelne denn konkret tun?

Im Gespräch bleiben. In der Familie, im Freundeskreis, in der Nachbarschaft, im beruflichen Umfeld. Wenn jemand Parolen der AfD, der Rechten und der Rechtsextremen verbreitet, dann mit sachlichen Argumenten widersprechen, ruhig bleiben – und durchhalten. Es braucht Langmut, das ist ein anstrengendes Unterfangen.

Und wenn gegen die Rechten demonstriert wird – hingehen?

Demonstrationen sind nicht jedermanns Sache. Sie geben ein stärkendes Gefühl von Gemeinschaft, kurzfristig wallen positive Emotionen auf. Auf die „lange Strecke“ hilft eine Demo aber nur begrenzt. Es muss darum gehen, sich mit den Positionen von AfD und Rechten auseinanderzusetzen. Da würde ich dem persönlichen Gespräch immer den Vorzug geben.

Im Internet gibt es immer wieder Petitionen, zum Beispiel Rufe nach einem Parteiverbot der AfD. Oder den Versuch, dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke das passive Wahlrecht zu entziehen, also zu verhindern, dass er sich zur Wahl stellen kann. Wie hilfreich sind solche Petitionen?

Ich empfehle, genau auf die Inhalte zu schauen. Natürlich kann man ein AfD-Verbot fordern. Dabei muss jedem Unterzeichnenden aber klar sein, dass das ein äußerst langwieriger Prozess mit offenem Ausgang ist. Bei Versuchen, Leuten wie Höcke bürgerliche Grundrechte zu entziehen, spreche ich mich deutlich dagegen aus. So etwas stärkt nur den Opfermythos der AfD.

Was raten Sie für Diskussionen mit rechten Sympathisanten?

Solange im Gespräch bleiben wie möglich, aber durchaus auch Grenzen formulieren. Vielleicht kann man einem Gespräch eine andere Richtung geben, wenn man nach der Motivation fragt, warum jemand rechten Parolen Glauben schenkt.

Gilt das auch für öffentliche Debatten mit AfD-Amtsträgern und für Talkshows?

Ich rate davon ab, zu glauben, man könne Funktionsträger der AfD „entzaubern“. Sie sind nicht zu „entzaubern“, weil es ihnen nicht um Argumente geht, sondern um das Verbreiten von Ressentiments. Sie werfen ideologische „Brühwürfel“ in eine Debatte, die dann nur selten faktenorientiert bleibt.

Was lässt sich stattdessen tun?

Die AfD bestimmt oft den Ton einer Debatte. Dagegen muss man eigene Themen und Begriffe setzen. Nicht die Begriffe der AfD übernehmen, sich auch nicht an ihnen abarbeiten. Tabubrüche muss man klar benennen, sollte sie aber von den alltäglichen Provokationen unterscheiden. Es hilft, einen Moment ruhig zu werden und nicht über jedes Stöckchen zu springen. Ich empfehle auch, den Blick radikal abzuwenden von den Erfolgen der AfD. Es ist viel hilfreicher, die Niederlagen der Partei zu studieren, zu schauen, warum sie nicht erfolgreich war.

Was kann die oder der Einzelne allein gegen Rechts erreichen?

Unzählige Menschen sind gesellschaftlich engagiert: in der Kirche, in der Freiwilligen Feuerwehr, im Elternbeirat der Kita, im Heimat- oder im Schützenverein. Dort lebt die demokratische Kultur. Das muss man sichtbar machen. Wie die Menschen mitdiskutieren, mitgestalten und mitentscheiden können. Die Erzählung von „denen da oben“ versucht, die Demokratie zu delegitimieren und zu diskreditieren. Aber Demokratie findet nicht nur im Bundestag und in den Landtagen statt. Sie lebt in unserem persönlichen Umfeld.

Was erwarten Sie von Kirchen, Pfarreien und Verbänden?

Zwei Dinge. Erstens gehe ich selbstverständlich davon aus, dass die Kirchen die Botschaft Jesu verbreiten. Zum Beispiel, dass alle Menschen gleich und gleichwertig sind. Das ist nicht wenig. Zweitens, und das erlebe ich an sehr vielen Stellen: Die Kirchen sind auch Lernorte von Demokratie und Toleranz. So wie in vielen Gruppen Diskussionen verlaufen, wie man zu Entscheidungen kommt, wie man auch einmal streitet, aber wertschätzend. Kirchen als Institutionen müssen sich vielleicht gar nicht laufend politisch äußern. Sie können ebenso gut an den richtigen Stellen deutlich machen, dass und wie Demokratie auch bei ihnen lebt.

Der evangelische Theologe David Begrich (51) leitet die Arbeitsstelle Rechtsextremismus beim Verein „Miteinander“, einem Netzwerk „für Demokratie und Weltoffenheit“ im Land Sachsen-Anhalt. Der private Verein wurde 1998 gegründet, unter anderem von Vertretern der evangelischen und katholischen Kirche. Er ist unter anderem in der Bildungsarbeit tätig, begleitet und berät Menschen in ihrem Einsatz für Demokratie.

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