Mehr Menschen wenden sich an Schuldnerberatung, Sozialkaufhaus und Tafel

Angst vor Armut – beim SkF Ibbenbüren steigt die Nachfrage nach Hilfe

  • Immer mehr Menschen sorgen sich angesichts steigender Preise für Gas, Strom und Lebensmittel.
  • Die Beratungs- und Hilfsangebote der katholischen Kirche haben deswegen mit steigender Nachfrage zu tun.
  • In Ibbenbüren beispielsweise ist der SkF ein bedeutender Träger.

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„Frühzeitig darüber zu sprechen, hilft immer.“ Das empfehlen Barbara Kurlemann und Kathrin Dörenkämper vom Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Ibbenbüren Menschen, die sich angesichts steigender Preise für Gas, Strom und Lebensmittel sorgen. Die SkF-Geschäftsführerin und ihre Kollegin aus der Schuldnerberatung berichten von einer steigenden Zahl der Ratsuchenden.

Dass Strom und Gas bei Zahlungsverzug abgestellt werden können, sei „gesellschaftlicher Sprengstoff“, findet Kurlemann: „Niemandem darf Strom und Gas vorenthalten werden – jeder braucht im Winter eine warme Wohnung.“

Aber das könne angesichts weiter steigender Preise für viele Menschen schwer werden: „Es trifft die Bevölkerungsgruppen, bei denen es finanziell sowieso schon eng ist.“ Zudem glauben beide SkF-Expertinnen, dass die staatlichen Sozialleistungen die Krise nicht auffangen werden.

Tafel kann keine neuen Kunden aufnehmen

Keine neuen Kunden kann derzeit die Tafel des SkF Ibbenbüren aufnehmen. „Unsere gesamte Koordination ist am Limit angekommen“, erläutert Kurlemann. Ende 2020 habe die Tafel 288 Haushalte als Kunden gehabt, nach dem zweiten Quartal 2022 seien es 404 gewesen.

„Wir überlegen gerade, wie wir die Ausgabe in Zukunft neu regeln können“, so die SkF-Geschäftsführerin: „Wir möchten so vielen Menschen wie möglich die Unterstützung zukommen lassen.“

Im Sozialkaufhaus ist viel los

Viel los ist auch im Sozialkaufhaus des SkF. Unter den regelmäßigen Kunden seien auch Geflüchtete, aktuell viele aus der Ukraine. Ohne das Engagement der Ehrenamtlichen könnten die Angebote – zu denen eine Suppenküche und die ehemalige Kleiderkammer, die heute Boutique heißt, gehören – gar nicht funktionieren. Um die Koordination der Dienste kümmern sich Hauptamtliche des SkF.

„Sozialkaufhaus und Tafel – eigentlich dürfte es beides in Deutschland nicht geben müssen“, sagen Mitarbeitende. „Höchstens aus Gründen der Nachhaltigkeit.“

Schuldnerberatung befürchtet Überraschungen

Doch wie oft Menschen in finanzielle Schieflage geraten, erlebt Schuldnerberaterin Dörenkämper täglich: „Wenn Menschen zu uns kommen, haben sie meist schon einiges versucht, ihre Reserven sind aufgebraucht.“ Steigende Kosten für fast alles machen der Beraterin Sorgen. Wegen der Pandemie seien viele Zählerstände in den vergangenen zwei Jahren nicht abgelesen worden: „Da sind Nachzahlungen zu befürchten.“

Über Strom, Gas, Benzin redet sie meist schon gar nicht mehr, sie rechnet noch mit mancher Überraschung. Auch bei eigentlich gut situierten Menschen – sie könnten etwa beim Hausbau von stark steigenden Materialkosten überrollt werden.

„Betroffene von Armut trifft oft keine Schuld“

Das SkF-Team könnte es sich leicht machen und bei Bedarf den Klienten Geld geben: „Doch das ist nicht unsere Aufgabe“, sagt Kurlemann. „Wir wollen helfen, aus der Situation herauszukommen und Konsequenzen zu ziehen.“

Wichtig ist den Expertinnen, dass Armut sich zwar individuell zeigt, aber ein gesamtgesellschaftliches Problem sei: „Für die allermeisten Situationen können die Betroffenen selbst nichts, sie trifft keine Schuld.“

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